Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
drückte sein Gesicht gegen die Brust des Jesuiten und weinte hemmungslos.
Jana beobachtete das Geschehen, ohne zu verstehen, was vor sich ging. Womit hatte der Junge den Mönch in den Freitod getrieben?
Richard holte sie aus ihren Gedanken.
»Ich denke, es besteht die Aussicht, dass wir dieses Abenteuer überleben«, sagte er trocken. Dann wurde Jana so übel, dass sie sich übergeben musste. Sie erbrach sich auf Richards Hose.
»War das wirklich notwendig?«
»Ja«, keuchte Jana.
Es dauerte schier eine Ewigkeit, bis Bonifàcio sich von Francescos leblosem Körper trennen konnte. Benommen richtete der Junge sich auf und befreite zuerst Jana, dann Richard.
»Was machen wir mit dem Leichnam?«, fragte Jana.
»Ein Priester muss ihn begraben«, sagte Bonifàcio.
»Kein Priester dieser Welt wird für einen Selbstmörder eine Messe lesen«, gab Richard zu bedenken.
»Aber die Kirche ist doch an allem schuld!«, jammerte Bonifàcio. Der Junge ging erneut in die Knie und schluchzte.
»Wie meinst du das?« Janas Neugier war geweckt.
Offensichtlich froh, die belastende Geschichte loszuwerden, richtete Bonifàcio sich wieder auf und begann zu erzählen: »Der alte Mann in San Cristóbal hat Francesco Borelli, das ist sein eigentlicher Name, erkannt.«
Bonifàcios Stimmung hellte sich ein wenig auf, weil er Francescos Familiennamen nicht vergessen hatte.
»Jemand hat Francesco Borelli als Säugling auf den Stufen des Jesuitenklosters in Padua ausgesetzt. Die Mönche haben ihn großgezogen. Er durfte die Schule besuchen und sollte später im Kloster leben.« Bonifàcio machte eine kurze Pause. »Ich habe nie zur Schule gehen dürfen. Obwohl ich auch im Kloster aufgewachsen bin«, sagte er bitter. Dann fuhr er fort: »Einige Monate bevor Francesco feierlich in den Orden eintreten sollte, verliebte er sich in der Stadt in ein Mädchen. Von dem Moment an wollte er kein Mönch mehr werden. Nein, er wollte nicht mehr. Heimlich, heimlich heiratete er das Mädchen, weil das, das war schwanger von ihm. Als die Jesuiten davon erfuhren, wurden die mächtig wütend. Der Abt ließ ihn rufen und erklärte Francesco, dass er sich der Todsünde schuldig gemacht hat. Das Mädchen Maria war Francescos Schwester. Der Sohn, den sie geb…, geb…, ein Kind, ein Kind, ein Kind … die schlimmste Sünde, die Mann und Frau begehen können.«
Bonifàcio sprach nun so rasch, dass es schwerfiel, seine Worte zu verstehen. Er wiederholte Wörter und verhaspelte sich. Mit dem Ärmel wischte er den Speichel vom Mund.
»Was passierte dann?«, fragte Jana.
»Der Abt, er muss ein wirklich böser Mann gewesen sein, sprach das Urteil über Mar…, Maria, Maria Bbb…«
»Borelli«, half Jana nach.
»Ja, Borelli! Der Abt sprach das Urteil über Maria Borelli und ihren Sohn Stephano Borelli. Beide sollten auf dem Scheiterhaufen brennen.«
»Warum das denn?«, fragte Jana entsetzt.
»Der Abt hat gesagt, dass sie, dass, also, sie wär eine Hexe, eine echte richtige Hexe, denn nur eine Frau, die mit dem Teufel im Bund steht, kann es schaffen, ihren eigenen Bruder zu verführen.«
»Das ist ja schrecklich«, entfuhr es Jana.
Bonifàcio nickte heftig.
»Francesco wollte alles tun, damit die zwei nicht sterben müssen. Wirklich alles!«
Wieder machte der Junge eine Pause, und Jana konnte die Spannung kaum ertragen.
»Am Abend vor der geplanten Hinrichtung hat der Abt Francesco zu sich geholt, hat ihm einen Vorschlag gemacht. Wenn Francesco sich dafür beschli…, also wenn er ein Mitglied von der geheimen Bruderschaft … ich weiß nicht mehr, wie sie heißt. Ein schwieriger Name auf Latein …«
»Fraternitas Secreta«, half Jana.
»Ja, genau. Das ist der Name. Warum kennt Ihr ihn?«
»Eine lange Geschichte, die erzähle ich dir später.«
Bonifàcio war einverstanden. »Also der Abt war einer von den Fraternitas, und Francesco sollte auch einer werden. Im Gegenzug täten Maria Borelli und Stephano Borelli am Leben bleiben und durften im Kloster der Jesuiten leben. Maria als Köchin, Stephano als Waisenkind. Später, wenn Stephano größer war, dass er nicht mehr an die Brust der Mutter musste, um zu essen, dann konnte Maria heimlich das Kloster verlassen und ein neues Leben beginnen.«
»Das klingt nach einem Angebot, das Francesco kaum ablehnen konnte«, sagte Richard, der ebenfalls gebannt zuhörte.
Bonifàcio nickte eifrig. »Ja, ja, er hat das Angebot angenommen. Aber die Aufträge der Franter … Fraterni …«
»Fraternitas
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