Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
aber Ihr wolltet die knusprigen Hühner in Zipaquirà nicht essen.«
»Die Viecher haben gestunken und steckten bestimmt schon seit Tagen auf dem Grillspieß!«, verteidigte sich Jana.
Sie reichte Richard die Spitzhacke, denn das Erdreich wurde nun fester und das Graben mit der Schaufel immer beschwerlicher.
»Meine Güte«, sagte er entsetzt. »Wer hätte gedacht, dass ich jemals mit so gefährlichen Instrumenten arbeiten werde.« Er holte aus, und Jana machte vorsichtshalber einen Schritt zur Seite.
»Verletzt Euch nicht«, rief sie ihm zu, aber Richard beachtete sie nicht. Er schwang das Werkzeug erneut durch die Luft und schlug damit ins Erdreich. Dabei keuchte er vor Anstrengung. Unterdessen sah sich Jana vorsichtshalber um. Die Büsche und Sträucher boten hervorragende Möglichkeiten, sich zu verstecken. Es wäre eine Leichtigkeit, ein Pferd dahinter anzubinden. Sollte Jana die Büsche absuchen? Doch wahrscheinlich hatte Richard recht, der Wind gaukelte ihr Geräusche vor, und sie hatte sich die Hufschläge bloß eingebildet. Statt sich weiter Gedanken zu machen, untersuchte sie den aufgeschütteten Erdhaufen.
Gerade als sie auf einen weiteren, kleinen glänzenden Gegenstand stieß, hörte sie erneut das Klappern von Hufen. Vielleicht hätte sie doch die Hühnchen essen sollen. Langsam richtete sie sich auf und glaubte, dass ihre Fantasie ihr einen bösen Streich spielte. Der Geruch von schwerem Moschus drang ihr in die Nase. Rasch drehte sie sich um und erschrak. Hinter ihr stand der entstellte Mönch, packte sie und hielt ihr sein Messer an die Kehle. Er hatte seine Kapuze diesmal nicht ins Gesicht gezogen. Obwohl Jana die vernarbte Fratze kannte, ekelte ihr ob der Hässlichkeit. In einiger Entfernung zum Jesuiten wartete der junge Schwachsinnige. Sie versuchte Richard um Hilfe zu rufen, aber noch bevor sie dazu ansetzte, tropfte bereits Blut auf ihre Brust. Die Klinge schnitt scharf in ihre Haut und ritzte sie auf.
»Wenn Ihr Euch auch nur einen Schritt bewegt, seid Ihr tot«, zischte er in ihr Ohr.
Jetzt erst bekam Richard mit, was passierte. Er ließ sein Werkzeug fallen und versuchte aus dem Loch zu klettern, doch der Jesuit brüllte ihn an: »Bleibt, wo Ihr seid, oder ich schneide die Kehle Eurer Freundin durch!«
Richard ließ sich zurückplumpsen.
»Nehmt die Hände in die Höhe und spielt nicht den Helden.«
Langsam tat Richard, was der Mönch von ihm verlangte. Er wirkte verwirrt.
Unterdessen versuchte Jana, sich zu dem Jungen umzudrehen, der ihr das letzte Mal hilfreich zur Seite gestanden hatte. Doch der Schwachsinnige stand reglos da und starrte voll Entsetzen auf den Gegenstand in seinen Händen. Jetzt erst erkannte Jana, dass es eine Schusswaffe war.
»Gebt mir nun endlich die Karte«, forderte der Mönch.
»Sie liegt auf dem Erdhaufen, aber sie ist wertlos«, sagte sie gepresst. Das Sprechen fiel ihr schwer, weil die Klinge in ihre Kehle drückte. Warmes Blut floss langsam, aber stetig über ihren Hals.
Richard ließ die Hände sinken und versuchte aus der Grube zu springen, aber Klettern gehörte nicht zu seinen Stärken. Er rutschte aus und sackte abermals zurück. Augenblicklich drückte die Klinge noch tiefer in Janas Haut, sie wich zurück und wimmerte.
»Ihr hört mir nicht zu«, schrie der Jesuit Richard an. »Ihr sollt Euch nicht bewegen.« Dann wandte er sich an den Jungen: »Bonifàcio, komm her!«
Doch der Junge blieb stehen und sagte leise: »Master Francesco, das ist nicht recht.«
»Du sollst mich nicht ständig bei meinem Namen nennen«, brüllte der Jesuit. Seine Stimme überschlug sich, und der Junge reagierte.
Vorsichtig kam er näher. Die Waffe, die er ungeübt weit von sich gestreckt hielt, war eine schwere Pistole. Jana kannte diese Art von Waffen aus Prag. Ihr früherer Verlobter hatte eine Pistole besessen, die er nicht mit einer Lunte, sondern mit einem Radschloss abfeuern konnte. Tomek war sehr stolz auf die Pistole gewesen. Jana hoffte inständig, dass der Junge nicht stolperte. Er stellte sich an den Rand der Grube und richtete den Lauf auf Richard.
Konnte der Junge mit der gefährlichen Waffe umgehen, und war sie überhaupt geladen? Tomek hatte immer damit angegeben, wie schwierig es sei, mit einer Pistole zu schießen und sein Ziel nicht zu verfehlen. Er war ein guter Schütze gewesen, ob der Junge es auch war?
Während Janas Gedanken sich überschlugen, holte der Jesuit mit geschicktem Griff ein Seil aus der Tasche seiner Kutte. Geübt fesselte
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