Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
er Janas Hände auf ihrem Rücken. Die Haltung, in der sie sich nun befand, erinnerte sie schmerzhaft an ihre Gefangenschaft in Lissabon. Der Mann verstand es, seine Gefangenen bewegungsunfähig zu machen. Mit einem brutalen Stoß zwang er Jana in die Knie und verknotete auch ihre Fußfesseln.
Unterdessen ignorierte Richard die Waffe, die der Junge zitternd auf ihn richtete, und versuchte aus dem Loch zu klettern. Als der Jesuit seinen Versuch wahrnahm, ergriff er erneut sein Messer und strich mit der scharfen Klinge über Janas Wange, eine tiefe Schnittwunde klaffte hässlich auseinander und blutete. Ein stechend heißer Schmerz breitete sich auf Janas rechter Gesichtshälfte aus.
Richard schrie an ihrer Stelle auf und ließ sich zurück in die Grube fallen.
»Diese Wunde geht auf Eure Rechnung«, sagte der Jesuit düster zu Richard. Er stieß Jana von sich weg und trat zu der Grube.
»Kommt heraus!«, befahl er.
Richard richtete sich auf und kletterte umständlich aus dem Erdloch. Jana wusste mittlerweile, dass er es einfach nicht schneller schaffte, aber der Jesuit glaubte, dass Richard sich über ihn lustig machte.
»Beeilt Euch, sonst zerschneide ich das Gesicht Eurer Freundin, so dass sie hinterher schlimmer aussieht als ich.«
»Ich komm ja schon«, beeilte sich Richard und stützte sich mit dem rechten Knie auf, ehe er sich hochzog. Kaum stand er neben dem Jesuiten, riss dieser Richards Arme nach hinten und fesselte sie auf dem Rücken. Erst als er fertig war, wandte er sich Bonifàcio zu, der zitternd mit der Waffe in der Hand dastand und den Lauf einmal in diese und dann in eine andere Richtung hielt. Die Gefahr, dass der Junge aus Versehen die Muskete zündete, war größer, als dass er gezielt jemanden damit erschoss.
»Das … ist … alles … nicht recht«, stotterte der Junge fassungslos. Jetzt hatte er die Waffe auf den Jesuiten gerichtet. Jana konnte nicht sagen, ob es Zufall oder Absicht war.
Den Jesuiten schien die Waffe nicht zu stören. Vielleicht war sie nicht geladen. Er nahm die Karte, die immer noch auf dem Erdhaufen lag, und seufzte erleichtert auf: »Endlich!«
Vorsichtig faltete er das Papier zusammen und verstaute es in der Tasche seiner Kutte.
»Die Karte ist wertlos. Was wollt Ihr damit tun?«, fragte Richard.
»Ich werde sie nach Rom bringen, denn so lautet mein Auftrag. Was dann damit geschieht, entscheiden andere«, erklärte der Mönch.
»Das … ist … alles … nicht recht«, wiederholte der Junge weinerlich. Die Pistole in seinen Händen zitterte. Sicher war sie schwer, aber der Junge verfügte über enorme Kräfte.
»Ich habe dir erklärt, dass die beiden Diebe sind. Wir holen einfach zurück, was der Kirche gehört.«
»Warum … müsst … Ihr … das tun?«
»Weil ich als Junge gesündigt und hinterher meine Seele verkauft habe«, antwortete der Jesuit düster. »Ich muss diese Karte in den Vatikan bringen. Egal ob hier ein Schatz versteckt ist oder nicht. Wenn ich es nicht tue …«
»Was passiert mit den Gefangenen?«, fragte Bonifàcio und zielte nun auf den Mönch.
»Nimm die Waffe runter«, forderte der Jesuit ungeduldig. »Die beiden müssen sterben. Niemand darf wissen, wo sich El Dorado befindet. Niemand außer dem Papst. So lautet mein Auftrag, und den muss ich erfüllen, sonst …«
Irrsinn blitzte in seinen Augen auf. Aber es lag noch etwas anderes darin, was Jana nicht sofort erkannte. Erst als Bonifàcio die Waffe sinken ließ, wusste sie, was es war. Der Mann hatte Angst. Bloß wovor?
»Was passiert, wenn Ihr den Auftrag nicht erfüllt?«, fragte sie vorsichtig. Ihre Wange schmerzte, und sie spürte, wie die Wunde bei jedem Wort weiter auseinanderklaffte. Aber sie ignorierte den Schmerz, denn sie wollte wissen, wovor der Mann sich so sehr fürchtete.
Langsam drehte der Jesuit sich zu ihr: »Dann tritt das Schrecklichste ein, was einem Menschen widerfahren kann.«
Bonifàcios Mundwinkel fielen herab. Er blinzelte und schien angestrengt nachzudenken.
»Das Schrecklichste …«, sagte er leise, und plötzlich hellte sich sein Blick auf. So als wäre das, wonach er in seinen Gedanken gesucht hatte, eben wieder aufgetaucht.
»Ich weiß, was das Schrecklichste ist!«, rief er.
Aber der erleichterte Ausdruck auf seinem Gesicht verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war, und zurück blieben Betroffenheit und Trauer. Der Junge machte einen Schritt zurück.
»Das … Schrecklichste … ist … längst eingetroffen.«
»Du hast keine
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