Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
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»Es handelt sich um die Karten des Orinoco in der Neuen Welt und um die Reisetagebücher von Gonzalo Pizarro.«
Die Falten auf Felipes Stirn wurden noch tiefer: »Pizarro hat weder das Zimtland noch das legendäre El Dorado gefunden. Seine Karten sind wertlos.« Felipe wusste, dass die Karten dennoch mit Gold aufgewogen werden konnten.
»Überlasst mir die Entscheidung, was ich als wertlos betrachte.«
»Aber ich verstehe nicht …«
»Das braucht Ihr auch nicht.« Ungeduldig schnitt der Fremde Felipe das Wort ab. »Schickt einen Eurer Brüder nach den Karten und den Büchern, und ich werde auf der Stelle Euer Kloster verlassen und Euch Euren Gebeten überlassen.«
Aber Felipe war ein neugieriger Mann, der es außerdem nicht leiden konnte, wenn man ihn unterbrach oder zurechtwies. Er fragte sich, welchen Nutzen sich der Vatikan von den Karten und den Büchern versprach.
So als könne er die Gedanken hinter der gefurchten Stirn des Abtes lesen, sagte der Fremde düster: »Strengt Euren Kopf nicht an. Es ist besser, Ihr wisst so wenig wie möglich. Sonst geratet Ihr unnötig in Gefahr.«
Felipe ging auf die Drohung nicht ein, stattdessen fragte er: »Habt Ihr ein Schreiben des Papstes, das Euch berechtigt, die Karten mitzunehmen?«
»Ihr scheint mich nicht verstehen zu wollen. Ich komme direkt aus dem Vatikan und habe keine Zeit zu verlieren. Solltet Ihr mich unnötig aufhalten, wird es zu Eurem eigenen Schaden sein.«
»Wie wollt Ihr mir schaden?«, fragte Felipe, der nun wirklich verärgert über das unhöfliche Verhalten des Fremden war. Der Mann war ein Besucher und benahm sich, als wäre er selbst der Abt.
Ohne Vorwarnung schnellte die entstellte Kralle unter der Kutte hervor. Diesmal lag ein Messer darin. Die Klinge blitzte auf, und noch während Felipe sich fragte, wie der Mann mit der fingerlosen Hand ein Messer halten konnte, saß der kalte Stahl bereits an seinem Hals.
»Ihr seid ein kleiner unwichtiger Abt, den der Heilige Vater sofort austauschen kann. Wagt es nicht, Euch mir in den Weg zu stellen und meine Arbeit zu behindern«, sagte der Mann. Nun rutschte seine Kapuze nach hinten, und Felipe erschrak über den Anblick noch mehr als über die Klinge an seiner Kehle. Nie zuvor hatte er ein derart entstelltes Gesicht gesehen. Der Mann hatte keine Nase, und die Haut war seltsam vernarbt, so als hätte Säure die Oberfläche zerstört.
»Mein Gesicht stößt Euch ab?«, sagte der Fremde. Felipe glaubte in seiner Stimme mehr als nur Sarkasmus zu hören. Er wagte es aber nicht, dieses Gefühl zu deuten. Die Klinge des Messers ritzte die feine Haut an seinem Hals auf, und der erste Blutstropfen fing sich im Kragen seiner Kutte.
»Ich gebe Euch die Bücher und die Karten«, sagte Felipe.
Augenblicklich ließ der Druck der Klinge nach, während der Fremde einen Schritt zurücktrat. Die Kapuze bedeckte wieder das Gesicht, und Felipe war sich nicht sicher, ob er diese schrecklichen Narben tatsächlich gesehen hatte oder die Bilder bloß ein Streich seiner lebhaften Fantasie gewesen waren.
»Ich brauche außerdem einen Begleiter für meine Reise«, sagte der Jesuit. Nichts an seiner schönen Stimme deutete auf das entstellte Gesicht hin.
»Einen Begleiter?«, entfuhr es Felipe entsetzt. Musste er tatsächlich einen seiner Männer opfern oder zum Schluss selbst mit dem Fremden reisen?
Der Jesuit lachte. Offensichtlich konnte er in Felipes Gedanken lesen wie in einem offenen Buch.
»Einen einfachen Novizen. Niemand aus adeligem Haus. Einen Jungen, der mir als Diener zur Hand gehen kann.«
Noch während der Jesuit sprach, tauchte vor Felipes innerem Auge ein Gesicht auf, dessen er sich schon lange entledigen wollte. Das war eine wundervolle Gelegenheit, sich von Bonifàcio zu verabschieden. Vor dem Sommer hatte man ihn dazu gezwungen, den schwachköpfigen Jungen im Kloster aufzunehmen. Nur zu gern hätte Felipe abgelehnt, aber das war nicht möglich gewesen, weil die Herzogin Peraza sich persönlich für den Burschen eingesetzt hatte. Er war das Kind einer ihrer Zofen, und Felipe hatte sofort verstanden, dass sie ihn auf elegante Weise hatte loswerden wollen. Und genau das würde er jetzt auch tun. Ein Schwachköpfiger hatte in seinem perfekten Kloster nichts verloren.
»Ich werde sofort nach einem Jungen rufen lassen, der noch nicht lange hier ist. Er ist das unglückliche Kind einer außerehelichen Beziehung. Niemand wird ihn vermissen.«
Ich am allerwenigsten, fügte Felipe in Gedanken
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