Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
los und stieß den Kopf unsanft nach vorne. Rodriguez starrte unterdessen immer noch zu Conrad, auf dessen Gesicht die pure Verachtung lag.
»Er scheint auch kräftig zu sein. Den werde ich kaufen«, meinte Valdiva.
»Kräftig schon, aber überheblich. Ein stolzer Sklave ist ein schlechter Sklave«, erwiderte Rodriguez und schlug dem Mann mit der flachen Hand ins Gesicht. Doch der Gefangene zuckte nicht einmal mit der Wimper, und er hielt weiter den Oberkörper aufrecht, als hätte nur eine lästige Fliege ihn berührt.
Nun drehte sich Conrad angewidert um und ging. Jana lief ihm hinterher. Sie konnte noch hören, wie Valdiva sagte: »Ich will ihn trotzdem. Er ist gesund und stark und wird gutes Geld bringen. Das allein zählt. Sollen seine neuen Besitzer sich mit ihm herumschlagen.«
Rasch bahnte sich Conrad einen Weg durch die Menge und blieb erst stehen, als sie außer Hörweite waren. Mit vor Wut funkelnden Augen drehte er sich zu Jana und fuhr sie an: »Was sollte das eben werden? Willst du, dass ich vor dem Quacksalber krieche? Oder vor dem Kapitän, der Menschen kauft, als wären sie Vieh?«
Traurig schüttelte Jana den Kopf: »Ich finde es genauso schlimm wie du. Aber wir werden an der Lage der Gefangenen nichts ändern. Ich will nur verhindern, dass du dir Rodriguez oder Valdiva zum Feind machst. Dieses Schiff ist das letzte, das vor dem Winter nach Amerika fährt, und wir wollen mitsegeln.«
»Du willst mitsegeln«, stellte Conrad in scharfem Ton richtig.
»Bis vor kurzem wolltest du auch.«
»Jana, du merkst nicht, wie die fixe Idee, diesen Schatz zu finden, dich blind und taub werden lässt. Lieber segelst du mit einem menschenverachtenden Kapitän, als dass du ein paar Monate wartest.«
Betroffen blieb Jana stehen.
»Das ist nicht wahr und nicht fair«, sagte sie leise. »Du weißt genau, wie schwierig es ist, einen Kapitän zu finden, der auch eine Frau mitnimmt. Es war ein Glück, dass Valdiva dazu bereit war. Alle anderen, die wir gefragt haben, haben abgelehnt, weil eine Frau an Bord angeblich Unglück bringt. Und was Rodriguez betrifft, so bist du mindestens ebenso schuld wie er, dass ihr euch in den Haaren liegt. Denn es vergeht kein Tag, an dem du ihm nicht vor Augen führst, dass du der bessere Arzt bist.«
»Ich bin der bessere Arzt!«, zischte Conrad.
»Das mag sein, aber warum musst du ihm das ständig zeigen? Wem musst du etwas beweisen?«
Nun wurde Conrad laut: »Hier geht es nicht darum, irgendjemandem etwas zu beweisen. Es geht um die Gesundheit von Menschen. Um einen Finger zum Beispiel, den ein Mann verliert oder behält.«
»Das stimmt, aber war es wirklich notwendig, Rodriguez so hinzustellen, als hätte er keinerlei Ahnung von Medizin?«
»Er hat keine Ahnung von Medizin!«
Verärgert verdrehte Jana die Augen. Es hatte keinen Sinn, Conrad schien nicht zu begreifen, was sie ihm sagen wollte. Manchmal konnte er richtig verbohrt sein. Schließlich drehte sie sich um. Sollte er doch mit dem Schiffsarzt oder dem Kapitän streiten, wenn er das unbedingt wollte. Sie wollte damit nichts zu tun haben. Für einen kurzen Moment war sie froh, dass sie Conrad noch nicht geheiratet hatte. Auch wenn die Mannschaft vom Schiff in diesem Irrglauben war.
Lissabon,
Oktober 1618
Abt Felipe saß auf einer Steinbank im Kreuzgang im Schatten seines Orangenbäumchens, das er vor einigen Jahren eigenhändig gepflanzt hatte. Aufmerksam lauschte er dem leisen Brummen der Insekten, die sich an den üppigen Spätsommerblumen erfreuten. Hinter ihm plätscherte ein kleiner Springbrunnen, und in den hohen Feigenbäumen sangen zwei Drosseln um die Wette. Die Bäume trugen immer noch ein paar der wunderbar süßen Früchte, die der Koch im Winter in getrocknetem Zustand zu einer herrlich cremigen Milchsauce servierte.
Der Abt liebte diesen Ort. Hierher zog er sich zurück, wenn er beten und Gott besonders nah sein wollte. Im Moment aber stellte sich das süße Gefühl entspannter Zufriedenheit nicht ein. Im Gegenteil: Felipe war ungewohnt nervös. Ein Besucher hatte sich angekündigt. Jemand aus dem Vatikan, der direkt dem Befehl des Heiligen Vaters unterstand. Ein Jesuit. Felipe fragte sich, was der Mann ausgerechnet von ihm, einem Hieronymiten, wollte. Die Hieronymiten waren ein kontemplativer Orden, die für ihre Sittenstrenge und hohe Bußfertigkeit bekannt waren. Man mischte sich selten in Politik ein und unterstützte die Regierenden bloß beim Büßen und Beten. Dass sich manche Könige
Weitere Kostenlose Bücher