Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
polternder Lärm Jana und Conrads Aufmerksamkeit. Die Geräusche kamen vom Achterdeck, wo Rodriguez wiederholt eine Peitsche auf den Holzboden knallen ließ. Aus der schmalen Luke krochen langsam und umständlich die Gefangenen. Sie mussten aufeinander Rücksicht nehmen, denn sie waren an Armen und Beinen zusammengekettet. Jana erschrak bei ihrem Anblick. Die Männer sahen noch erbärmlicher aus als beim Betreten des Schiffs. Einige waren bis auf die Knochen abgemagert. Mit eingezogenen Köpfen und hängenden Schultern standen sie da. Die wenigsten hatten einen kleinen Lendenschurz oder zerrissene Hosen. Die meisten waren nackt. Sie blinzelten, denn ihre Augen waren an Dunkelheit gewöhnt.
»Bewegt euch!«, herrschte Rodriguez die Männer an. Aber die drängten sich zusammen, als könnten sie auf diese Weise Halt finden.
»Ihr sollt euch bewegen!« Erneut knallte die Peitsche. Diesmal nicht auf den Boden, sondern auf den Rücken eines Gefangenen. Es war jener breitschultrige Mann, der Jana bereits auf dem Sklavenmarkt aufgefallen war. Er zuckte nicht mal, sondern drehte sich nur zum Schiffsarzt.
»Bleib stehen, du Dreckskerl!« Rodriguez sprang zurück und schlug mit der Peitsche zu. Es sah aus, als hätte er Angst vor dem großen gefesselten Schwarzen. Diesmal traf er den Mann im Gesicht. Augenblicklich platzte die Haut auf, und Blut tropfte von der Wange auf die Brust. Zum Glück hielt der Schwarze die Augen wegen der Sonne geschlossen, sonst hätte die Peitsche sein Augenlicht zerstört.
Aufgebracht drängte sich Conrad zum Geschehen.
»Ihr sollt die Männer nicht umbringen, sondern auf und ab gehen lassen, damit sie ihre Muskelkraft nicht verlieren«, zischte er leise.
»Seit wann gebt Ihr mir Befehle?« Rodriguez ließ erneut die Peitsche knallen. Diesmal wieder auf den Rücken des Schwarzen. Und diesmal zuckte der Mann zusammen ob der Heftigkeit des Hiebs.
»Hört auf mit der sinnlosen Quälerei«, forderte Conrad.
»Ich mache, was Kapitän Valdiva mir befohlen hat. Ich nehme an, dass Ihr hinter der unsinnigen Anordnung steckt. Dabei hätte ich ganz gewiss andere Dinge zu erledigen als dreckige Sklaven übers Deck zu schicken.«
»Ihr könnt mir die Aufgabe überlassen.«
»Ha!« Rodriguez lachte humorlos auf. »Damit Ihr sie zu Tode streichelt?«
»Macht Euch nicht lächerlich!«
»Der Einzige, der sich hier lächerlich macht, seid Ihr, und nun geht mir aus dem Weg. Ich sorge dafür, dass sie sich bewegen. Den sturen Riesen werde ich in Ketten legen und im hinteren Laderaum einsperren lassen. Der Hochmut wird dem Kerl schon vergehen.«
Conrad rührte sich nicht vom Fleck, blieb stehen und starrte den Schiffsarzt aus schmalen Augen an.
»Es geht Euch doch gar nicht um die Gefangenen. Ihr wollt mir eins auswischen. Wie kindisch, dumm und ungerecht zugleich. Es zeigt bloß, wie erbärmlich Ihr seid.«
»Geht, bevor ich mich vergesse und die Peitsche versehentlich auf Eurem Rücken landet.«
Jana, die den Streit verfolgt hatte, trat zu Conrad, griff seinen Oberarm und versuchte ihn sanft wegzuziehen.
Aber Conrad war wütend und schüttelte sie ab. »Der Mann bringt die Gefangenen um!«, schrie er aufgeregt.
Jana schüttelte den Kopf: »Nein, er schlägt sie, aber er bringt sie nicht um. Das würde Kapitän Valdiva nicht zulassen.«
»Hört auf Eure hübsche Frau«, sagte Rodriguez mit öliger Stimme. Der Blick, mit dem er Jana bedachte, trug nicht dazu bei, Conrad zu beruhigen. Dann schnalzte er mit der Zunge und schlug noch einmal zu. Diesmal so heftig, dass der Sklave ins Wanken geriet und nur unter höchster Anstrengung aufrecht stehen blieb. Conrad machte einen Satz nach vorne, um Rodriguez die Peitsche aus der Hand zu schlagen, aber Jana war schneller. Sie schnappte erneut nach seinem Oberarm und zog ihn nun mit aller Kraft zurück. Um nicht zu stolpern, gab Conrad nach und ließ sich abdrängen.
Kaum waren sie außer Hörweite, zischte Jana verärgert: »Ich nehme alles zurück, was ich zuvor gesagt habe. Merkst du denn nicht, dass du die Lage noch schlimmer machst? Je mehr du ihn verärgerst, umso heftiger schlägt er zu.«
»Er darf diese Menschen nicht sinnlos quälen.«
»Conrad, wach auf! Er darf mit ihnen alles machen. Auch wenn es dir und mir nicht gefällt, die Gefangenen sind Sklaven. Wir können daran nichts ändern. Was du tun konntest, hast du bereits getan. Im Moment bringst du bloß uns beide in Gefahr. Denn Rodriguez ist kein Mann, der eine Beleidigung einfach
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