Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
Armen.
»Jana, dein rechter Unterarm ist voller Blut«, schrie Conrad entsetzt und schob Jana auf Armlänge von sich weg, um die Wunde anzusehen. Aber Jana wollte nicht auf Abstand gehalten werden, sie wollte sich an Conrads Schulter lehnen.
Ihr notdürftiger Verband hatte sich gelöst, und nun fiel auch Janas Blick auf die hässliche Fleischwunde. Sie wollte die Sache mit dem Haken erklären, aber in dem Moment wurde das Surren in ihren Ohren lauter als der Sturm. Vor ihren Augen tauchten schwarze Kreise auf, die langsam größer wurden. Das Letzte, was sie vom Sturm mitbekam, waren Conrads Arme, die sie auffingen und daran hinderten, mit dem Kopf auf die Holzplanken zu prallen.
Plymouth,
Oktober 1618
Richard Walton schaute ein letztes Mal zurück zur Hoe, dem Hügel, auf dem er eben noch gestanden hatte, um den Hafen von Plymouth, eine Ansammlung kleiner, grauer Steinhäuser mit ungewöhnlich bunten Fensterläden und Türen, zu überblicken. Angeblich hatte Sir Francis Drake dort in Ruhe sein Bowls-Spiel beendet, bevor er die Spanische Armada besiegte.
Richard hatte nicht vor, gegen die Spanier in den Krieg zu ziehen, aber er war mindestens genauso nervös und versuchte ebenso gelassen zu sein wie Drake. In wenigen Stunden würde die Anne Rose, ein dreideckiges, englisches Linienschiff, ablegen und Richtung Amerika segeln. Alles, was Richard mit sich führte, waren ein altes Schwert, das er günstig bei einem Schmied in London erstanden hatte, wobei er nicht einmal wusste, wie er die Waffe führen sollte, sowie ein paar Kupfermünzen. Raleighs Karte und einen Beutel voll Goldmünzen trug Tom bei sich. Anfangs hatte Richard sich dagegen gewehrt, dass der Diener seiner Frau ihn begleitete. Lieber wäre ihm gewesen, der Mann wäre bei Julia geblieben, hätte sie beschützt und versucht, alles Böse von ihr und den Kindern fernzuhalten, so wie er es in den letzten Jahren getan hatte. Aber je näher der Abreisetag rückte, umso dankbarer war er für die Begleitung, auf der Raleigh bestanden hatte.
Tom hatte Julia eine Lüge von einem kinderlosen entfernten Verwandten Richards erzählt, der eine Zuckerrohrplantage besaß. Hätte Richard es mit der haarsträubenden Geschichte versucht, hätte Julia kein Wort geglaubt, aber aus dem Mund ihres Dieners nahm sie jedes Wort für bare Münze. Als er sich von ihr und den Kindern verabschiedet hatte, war sie tapfer gewesen. Für einen Moment hatte Richard gefürchtet, dass sie erleichtert war, ihn loszuwerden. Er hätte es ihr nicht verdenken können. Aber als er an der Ecke zur Green Street sich noch einmal umdrehte, sah er, wie sie mit einem Taschentuch ihre Augen trocknete. Der kleine Martin in ihrem Arm und die etwas größere Mary an ihrem Rockzipfel weinten hemmungslos. Es war durchaus möglich, dass sie traurig gewesen war, weil die Kinder geheult hatten.
Nun war Richard mit Tom Reasley unterwegs. Der Mann war klein und untersetzt. Er hatte karottenrotes Haar und ein Gesicht, das an einen Kobold erinnerte. Tom stammte aus Irland, war überzeugter Katholik und sprach in dem typischen langgezogenen Dialekt der Inselbewohner. Richard machte sich über seine Aussprache lustig, dabei stammte seine eigene Mutter aus Schottland. Tom war um einige Jahre älter als Richard und arbeitete für Julia, seit sie ein Mädchen und er selbst noch ein Bursche gewesen waren. Er hatte Sir Walter Raleigh gekannt und Julias Mutter. Tom sah in Richards Frau eine Art Tochterersatz. In fast selbstzerstörender Aufopferung sorgte er für Julia. Seit Richard regelmäßig trank, machte er kein Hehl daraus, was er davon hielt. Richard war ihm deshalb nicht böse, aber sein Verhalten ändern konnte er auch nicht. Die bevorstehende Reise war für beide Männer eine Herausforderung.
»Master Walton, wir sollten nun wirklich an Deck gehen, sonst läuft die Anne Rose noch ohne uns aus«, sagte Tom und winkte Richard nervös zu. Der kleine Mann mit der etwas zu breiten Nase war nicht nur loyal, sondern auch verlässlich und immer pünktlich. Im Unterschied zu Richard wollte er schon Stunden vor dem Auslaufen des Schiffs an Deck sein. Richard hingegen hätte den Abschied vom Festland gerne noch hinausgezögert.
»Tom, findest du nicht auch, dass es viel vernünftiger wäre, hier zu bleiben. Plymouth ist eine hübsche, geschäftstüchtige Stadt. Sicher finden wir in einer der Tavernen einen Käufer für Raleighs Karte. Mit etwas Glück reicht das Geld, um die Gläubiger
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