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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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Zeit bekam sie Hilfe von zwei kleinen Mädchen, die ihr neugierig zusahen. Sie hielten Janas merkwürdige Putztechnik für ein lustiges Spiel und machten mit Begeisterung mit. Schon nach kurzer Zeit war der Topf voll. Nun musste er mit Wasser befüllt werden. Auch das übernahmen die Kinder, liefen mit Eimern zum Brunnen und kamen mit Wasser zurück. Dann hatten sie jedoch genug und machten sich lachend davon. Während die Knollen kochten, dachte Jana über das merkwürdige Zusammenleben der Piraten nach. Doch sie kam nicht weit, schon nach wenigen Augenblicken stand ein dunkelhäutiger Mann mit einem Korb voller Fische vor ihr. Der Mann hatte kein Hemd an, und Jana sah auch gleich warum. Sein linker Oberarm war böse aufgeschürft, riesige Hautfetzen fehlten, rosiges Fleisch glänzte, rund um die Wunde war die Haut entzündet, die Ränder schon gelb vom Eiter. Sicher hatte der Mann Fieber, auf seiner Stirn standen Schweißperlen, die jedoch auch von der Hitze stammen konnten.
    Lautstark sog Jana die Luft ein und zeigte auf die Wunde.
    »Das muss gereinigt werden!«, sagte sie entschieden.
    Der Mann verstand sie nicht. Er befahl ihr auf Französisch, die Fische auszunehmen. Zum Glück sprach er mit Gesten, und so wusste Jana, was er von ihr wollte. Fieberhaft überlegte Jana, was reinigen und Wunde in der nasalen Sprache hieß.
    Endlich fiel es ihr ein.
    »Nettoyer!«, sagte sie und zeigte auf seinen Oberarm. »Nettoyer plaie!«
    Der Mann schüttelte verwundert den Kopf.
    »Nettoyer ou mourir!«, sagte Jana dramatisch. Mehr Worte wollten ihr nicht einfallen. Der Mann grinste belustigt und fragte sie, ob sie denn wisse, wie man so eine Wunde reinigt.
    Jana nickte. Als Apothekerin hatte sie weitaus mehr Wundverbände angelegt als Fische ausgenommen. Sie bedeutete dem Mann sich zu setzen, holte eine Flasche Zuckerrohrbrand, ließ den Piraten einen kräftigen Schluck davon trinken und begann dann die Wunde sachgemäß zu reinigen. Der Mann zuckte immer wieder zusammen, schloss die Augen, biss die Zähne zusammen und schwitzte, als säße er in der Hölle.
    Mit der Spitze eines Messers holte Jana drei kleine Steinchen aus der Wunde, leerte noch einmal kräftig Zuckerrohrbrand darüber und verband dann die Wunde mit einem möglichst sauberen Tuch.
    »Morgen nehmen wir den Verband ab und sehen nach, wie die Wunde verheilt«, sagte sie, vergessend, dass der Mann sie nicht verstehen konnte.
    »Demain«, wiederholte Jana und deutete mit Gesten an, den Verband abzunehmen.
    Der Pirat nickte, warf einen Blick auf die Fische und sagte etwas, von dem Jana hoffte, dass es ein Hilfsangebot bedeutete.
    Sie nickte vorsichtig und sah erleichtert, dass der Mann sich setzte und mit seiner unverletzten rechten Hand den Fischen die Köpfe abhackte. Dann schlitzte er den Tieren geschickt die Bäuche auf und holte mit je einem Griff die Gräten heraus. Das alles machte er mit seiner Rechten, denn der linke Arm lag nun in einer Schlinge, die Jana ihm aus dem Rest des Verbandes gebunden hatte. Fasziniert beobachtete Jana ihn dabei. Als der Mann fertig war, kam Estebana wieder in die Küche.
    »Bist du zu fein zum Fischausnehmen?«, fragte sie schnippisch.
    Jana antwortete nicht, sie musste sich ohnehin noch um die merkwürdigen Knollen im Kochtopf kümmern. Doch kaum waren die Knollen gestampft, musste der Boden gefegt, die Wäsche geflickt und die Becher geputzt werden. Nach dem Abendessen ging die Arbeit weiter, die Männer kamen in die Gaststube und betranken sich. Jana hatte Glück und durfte hinter dem Tresen stehen und ausschenken, während Estebana und Altea die vollen Becher zu den Männern trugen. Dabei landeten die beiden immer wieder unfreiwillig auf einem Schoß. Sie mussten gierige Hände auf ihren Körpern erdulden und dabei lachen. Jana wollte sich nicht vorstellen, dass sie in ein paar Tagen vielleicht dieselbe Rolle übernahm.
    Als sie endlich spät nach Mitternacht in eine Hängematte kroch, die sie bereits am Nachmittag zwischen zwei Palmen im Hinterhof der Hütte aufgehängt hatte, war sie völlig erschöpft. Trotzdem konnte sie nicht einschlafen. Conrads Bild tauchte vor ihr auf, und zum ersten Mal seit dem Überfall gestand sie sich ein, wie unendlich traurig sie war. Wovor sie sich den ganzen Tag über gefürchet hatte, trat nun ein. Sie begann zu weinen, und die Tränen, warm und salzig, flossen unaufhaltsam über ihre Wangen, tropften auf ihren unsittlichen Ausschnitt und durchtränkten das Kleid. Jana weinte so lange,

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