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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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bis ihr Kopf schmerzte, die Schläfen pochten und die Augen so verquollen waren, dass sie die Sterne am Nachthimmel nicht mehr sehen konnte.
    Das goldene Amulett drückte schwer gegen ihren Busen, so als wollte es sie daran erinnern, dass sie immer noch ein Ziel hatte. Aber was war der Schatz jetzt noch wert? Die ganze Suche erschien ihr unsinnig und wertlos. Sie hatte für dieses Abenteuer gekämpft. Aber sie hatte nie gedacht, dass sie es allein erleben sollte. Sie hatte sich unverwundbar gefühlt und war davon überzeugt gewesen, dass auch Conrad nie etwas zustoßen könnte. Wie naiv und einfältig war sie doch gewesen! Nun sehnte sie sich mit jeder Faser ihres Körpers nach Conrad. Sie wünschte seine Nähe herbei, seine Überheblichkeit und seine Zärtlichkeit, seine Grübchen, die entstanden, wenn er lachte, seinen Geruch, einfach alles. Selten zuvor hatte sie sich so einsam gefühlt wie in diesem Moment.
    Jana schlief erst ein, als die ersten hellgrauen Lichtfetzen den nahenden Sonnenaufgang ankündigten.
    Kaum war Jana eingeschlafen, wurde sie auch schon wieder aus der Hängematte gerüttelt.
    »Komm, steh auf, du kannst nicht den ganzen Tag verschlafen«, sagte Estebana. Sie klang heute noch unfreundlicher als gestern. Jana fragte sich, was sie getan hatte, um den Unmut der Spanierin zu verdienen.
    »In der Stube wartet Arbeit auf dich.« Estebana würdigte Jana keines Blickes und wandte ihr beim Reden sogar den Rücken zu.
    »Gar nicht in der Küche?«, fragte Jana überrascht. Etwas ungeschickt kletterte sie aus ihrer Hängematte und landete unsanft mit den Knien auf dem festgestampften Sandboden.
    »Die Männer kommen nie in die Küche«, sagte Estebana.
    »Die Männer?« Jana überlegte, ob sie Estebana freiwillig folgen sollte. Wenn die Piraten sie als Hure missbrauchen wollten, dann mussten sie sie erst erwischen. Noch konnte sie davonlaufen. Über die niedrige Mauer des Innenhofs würde sie es trotz verletztem Arm schaffen, und dahinter wartete ein dichter Wald aus Palmen und Büschen. Wie lange würde Jana dort allein überleben können? Wie lange würden die Piraten brauchen, um sie zu finden? Die Gedanken tobten durch ihren müden Kopf.
    »Was stehst du rum und glotzt Löcher in die Luft? Komm schon, die Männer warten. Einer hat einen schlimm verrenkten Arm, vielleicht ist er gebrochen, keine Ahnung.«
    »Gebrochener Arm?«, fragte Jana irritiert.
    »Ja, warum sollten die Männer denn sonst auf dich warten? Du hast gestern dem schwarzen Luis den Oberarm verbunden, die Wunde sieht heut schon viel besser aus. Jetzt wollen sich alle von dir behandeln lassen. Wir haben hier keinen Arzt.«
    Estebana drehte sich jetzt doch zu Jana um. Ärger lag in ihren Augen, aber auch Neid und Bewunderung.
    »Aber … ich bin kein Arzt«, stotterte Jana. Sie fühlte sich der Aufgabe, die vor ihr lag, nicht gewachsen.
    Estebana zuckte die Schultern: »Zu spät. Das hättest du dir gestern überlegen müssen.«
    Jana klopfte ihre Röcke glatt, band ihr Haar streng zurück und atmete tief durch. Sie hatte ohnehin keine andere Wahl, im Wald würde sie keine drei Tage allein überleben. Dann folgte sie Estebana.
    In der Gaststube saßen bereits drei Männer. Einer hatte ein triefendes Auge, einer eine kleine Schnittwunde am Fuß, und der dritte lag auf der Bank und wand sich unter Schmerzen. Sein Oberarm stand in unnatürlichem Winkel vom Körper ab. Jana konnte nicht sagen, ob der Arm gebrochen oder ausgerenkt war, aber sie wusste, dass beides höchst schmerzhafte Verletzungen waren. Wieder wünschte sie Conrad herbei. Er hätte den Mann abgetastet und sofort erkannt, ob der Knochen gebrochen war, und dementsprechend gehandelt. Sie konnte hier gar nichts tun.
    Entschieden schüttelte sie den Kopf: »Es tut mir leid, ich bin bloß Apothekerin. Ich kann kleine Schnittwunden verbinden und einen Tee gegen Bauchweh kochen, aber keine Knochen einrenken.«
    »Ihr wollt ihm nicht helfen?« Einer der Männer, die den Verletzten herbegleitet hatten, trat nach vorne. Er war Niederländer und sprach Janas Sprache.
    »Ich würde ihm sehr gerne helfen. Aber ich kann es nicht«, sagte sie ehrlich. »Mein Mann ist Arzt, er könnte es, aber …« Sie sprach den Satz nicht zu Ende und wunderte sich über sich selbst. In den letzten beiden Tagen hatte sie sich so oft als Conrads Ehefrau bezeichnet, dass es ihr bereits völlig normal erschien. Aber anders als auf dem Schiff, wo sie Conrads Namen als Notlüge verwendet hatte, um mitgenommen

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