Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)
ich Euch.«
Er zeigte mit seinem Daumen Richtung Himmel.
»Ik heet u van harte welkom! Ich heiße Euch herzlich willkommen auf Trinidad, der Insel der Dreifaltigkeit. Ihr werdet Euch sicher wohl fühlen und Euer schwarzer Freund ebenso, denn bei uns ist er ein freier Mann. Wir freuen uns über jeden kräftigen Neuzugang in unserer Gruppe.«
Cumaná, am Festland auf
der Höhe der Isla de Margarita,
November 1618
Zu spät hatte der Jesuit bemerkt, dass Abt Felipe ihm einen Schwachsinnigen mitgeschickt hatte. Natürlich würde das Konsequenzen für den Mann haben. Die Tage, die er als Abt verbringen durfte, waren gezählt. Aber es würde dauern, bis die Nachricht den Papst erreichte und dieser die notwendigen Schritte in die Wege leiten konnte.
Was ihn selbst betraf, er war für die nächsten Wochen und Monate mit einem Tölpel bestraft. So lange, bis er den Burschen in einem Kloster unterbringen und gegen einen vernünftigen Diener eintauschen konnte.
Natürlich hätte er sich des Jungen mit dem flachen Gesicht, den schrägstehenden Augen und der zu breiten Zunge im Mund auch entledigen können. Es wäre nicht der erste Mord in seinem Leben gewesen. Aber er hatte keinen Auftrag dazu, und etwas hielt ihn davon ab. Auch wenn er es sich nur ungern eingestand – auf eine merkwürdige, völlig verdrehte Weise mochte er den Schwachkopf. Deshalb musste er den Jungen bald loswerden. Vor Jahren hatte er sich jede Gefühlsregung versagt, und so sollte es auch bleiben.
Im Moment schwitzte er ganz fürchterlich unter seiner braunen Kutte, die er nie ablegte. Sein eigener stechender Schweißgeruch stieg ihm unangenehm in die Nase, da half auch das schwere Parfüm aus Moschus nicht. Er hasste körperliche Gerüche. Den Jungen neben ihm schienen weder ihr Gestank noch die Hitze zu stören. Mit offenem Mund bestaunte er den einfachen Landeplatz, den die spanische Galeone angelaufen hatte, als handelte es sich um den größten und prächtigsten Hafen der Welt. Vor über hundert Jahren hatten Franziskanermönche ein Konvent gegründet und versucht, die Indianer auf friedliche Weise zum rechten, dem christlichen Glauben zu führen. Dieser Versuch war kläglich gescheitert und hatte mit einer Revolte der Eingeborenen geendet. Später sandte der spanische König Soldaten mit dem Auftrag, um jeden Preis eine Stadt zu gründen. Ursprünglich auf den Namen Neuva Toledo getauft, wurde Cumaná »La Primogenita del Continente«, die »Erstgeborene des Kontinents« und somit die älteste Stadt der Neuen Welt. Siebzig Jahre später hatte sie den heutigen Namen erhalten. Inzwischen hatte ein schweres Erdbeben alle neuen Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. Heute war Cumaná nicht mehr als ein Fischerdorf. Hinter dem Landesteg befanden sich einfache Holzhütten auf Pfählen, in denen Eingeborene mit ihren Familien lebten. In einigen der Hütten drängten sich bis zu acht Personen auf engstem Raum. Davor hingen Leinen zum Trocknen, die sich die frisch gewaschene Wäsche mit Fischen in unterschiedlichsten Größen teilen musste. Der Geruch von Meerestieren drang jedem in die Nase, der sich einer der Leinen näherte. Halbnackte Kinder spielten auf den sandigen Wegen mit Muscheln und Holz. Ein warmer, feuchter Wind wehte vom Landesinneren zum Strand, bewegte die riesigen Palmblätter und sorgte für ein Rauschen, das dem Meer Konkurrenz machte.
»Alles hier ist wunderschön«, sagte Bonifàcio und klatschte voller Freude in die Hände, die im Vergleich zu seinem Körper zu klein geraten waren. Der Junge war offenbar froh, endlich wieder festen Boden unter seinen Füßen zu spüren.
Der Jesuit antwortete nicht. In den letzten Wochen hatte er sich an die grenzenlose Begeisterung des Jungen gewöhnt. Es schien nichts zu geben, worüber er sich nicht freuen konnte. Selbst als Bonifàcio durch einen unglücklichen Zufall seine verkrüppelte Hand gesehen hatte, war der Junge nicht erschrocken zurückgewichen, sondern hatte gefragt: »Tut es weh?«
Irritiert hatte der Jesuit seine Hand wieder verdeckt und den Kopf unter der Kapuze geschüttelt. Zum Glück hatte Bonifàcio sein entstelltes Gesicht nicht gesehen. Dann hatte der Junge ihn nach seinem Namen gefragt, und für einen kurzen Moment war er versucht gewesen, ihn zu nennen. Doch im letzten Moment hatte er sich eines Besseren besonnen. Vor Jahren hatte er seinen Namen und seine Vergangenheit abgelegt und sich geweigert, einen neuen Namen anzunehmen. Natürlich nannte man ihn innerhalb der
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