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Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Fluch des Sündenbuchs: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Maly
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Bruderschaft bei einem Namen, aber der gehörte ebenso wenig zu ihm wie sein abgelegter. Er wollte ein namenloser Mann ohne Vergangenheit sein, doch in Wirklichkeit war er ein Jesuit mit einem dunklen Geheimnis.
    »Wollt Ihr hier übernachten?«, fragte der Junge und holte ihn aus seinen Überlegungen zurück. Er war nicht älter als dreizehn, hatte einen leichten Flaum auf der Oberlippe und das Gehirn eines Spatzen. Trotzdem schaffte er es nicht, den Jungen ob seiner Dummheit zu schlagen. Spätestens in Barinas würde er ihn zurücklassen. Dort gab es ein Kloster der Jesuiten, in dem man ihn aufnehmen würde. Besser aber wäre es, wenn er ihn vorher schon loswerden könnte.
    »Es wird uns nichts anderes übrigbleiben«, sagte er, und Bonifàcio nickte rasch.
    »Soll ich nach einer Unterkunft suchen?«
    Der Mönch schüttelte den Kopf: »Das mache ich selbst. Außerdem brauchen wir nach der Reise eine Badestube. Morgen brechen wir auf.«
    »Ist es weit bis nach …«, Bonifàcio konnte sich Städtenamen nicht merken.
    »Ja, es ist weit bis Barinas«, ergänzte der Jesuit. »Wir brauchen Maultiere, Esel oder Pferde. Leider sind diese Tiere auch nach hundertfünfzig Jahren europäischer Herrschaft ein besonderer Luxus.«
    Der Junge sah ihn verständnislos an. Komplizierte Sätze wie diesen verstand er nicht.
    »Pferde sind hier selten und teuer«, erklärte der Mönch. Aus Erfahrung wusste er, dass der Junge ihn so lange mit offenem Mund anstarren würde, bis er ihm eine verständliche Erklärung lieferte. Was hatte dieser Felipe sich bloß dabei gedacht, ihm ausgerechnet diesen Tölpel mitzugeben?
    Neben ihnen rannte ein Straßenköter über den Weg. Der Junge zuckte erschrocken zusammen und zitterte.
    »Es ist bloß ein Hund«, sagte der Mönch beherrscht und war versucht, den Jungen anzuschreien. Aber dann würde der Schwachkopf wieder zu weinen beginnen, wie er es einige Male während der Überfahrt getan hatte. Seine Gefühlsausbrüche hatten Erinnerungen aus längst abgeschlossener Zeit heraufbeschworen und Bilder hervorgezaubert, die ein Mönch nicht sehen durfte.
    »Bis morgen früh brauchen wir zwei Pferde oder Maulesel und genügend Proviant für mindestens eine Woche, der Preis spielt keine Rolle. Wir müssen versuchen, schnell zu reisen, um rechtzeitig in Barinas zu sein. Ich habe dir schon erklärt, dass Diebe einen wertvollen Schatz gestohlen haben und wir diesen wieder zurückholen müssen.«
    Der Junge nickte ernst. Die Vorstellung, dass er Diebe stellen sollte, schien ihm zu gefallen.
    »Die Diebe kommen auch nach …?«, fragte er.
    »Barinas«, seufzte der Jesuit. »Die Stadt ist der Ausgangspunkt der Suche. Egal wer den Schatz jetzt besitzt, wird zuerst nach Barinas gehen. Deshalb müssen wir schneller sein. Verstehst du mich?«
    Wieder nickte der Junge verständnislos, aber der Jesuit hatte keine Lust auf weitere Erklärungsversuche. Also schnappte Bonifàcio seinen eigenen Reisesack und den seines Herrn und lief voraus.
    Der Mönch war sich nicht sicher, wie viel er dem schwachsinnigen Jungen erzählen durfte. Die Gefahr, dass er sich verplapperte und anderen von ihrem Vorhaben erzählte, war groß. Deshalb hatte er mit keinem Wort die Karte oder El Dorado erwähnt. Dabei hätte dem Jungen die Legende von dem im See versunkenen Schatz ganz sicher gefallen. Er selbst mochte sie auch. Die Vorstellung, dass Heiden ihre Götter milde stimmten, indem sie ihnen Tonnen von Gold opferten, ihren König mit Goldstaub einrieben und dieser sich dann im See wieder sauber wusch, gefiel ihm. Versuchte er nicht etwas Ähnliches?
    Auch er hoffte Gott und seinen menschlichen Vertreter auf Erden mit Gold milde zu stimmen, um das Schlimmste zu verhindern. Das Schlimmste, das so schrecklich war, dass er nicht einmal die Vorstellung davon zulassen konnte.
    Als unschuldiger Junge hatte er unwissend gesündigt, und nun musste er sein Leben lang Buße tun. Er war für die Kirche zum Mörder geworden, hatte seine eigene Schönheit, sein Gesicht und seine Finger verloren. Er hatte ein steifes Bein und konnte keine Nacht länger als zwei Stunden durchschlafen, weil ihn Albträume plagten.
    Sein Beichtvater hatte einmal behauptet, Gott wäre gnädig. Offensichtlich hatte er keine Ahnung gehabt. Gott war grausam, und für manche Sünder, so wie ihn, gab es kein Entkommen.

Tobago,
    November 1618
    Wenn Jana sich eingebildet hätte, dass man sie wegen des offenen Lösegeldes wie eine hochrangige Gefangene behandeln und ihr

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