Der Fluch des Verächters - Covenant 01
schwand die Gefahr, daß er in Panik geriet. Endlich erreichte er die verhältnismäßige Sicherheit des Uferpfads. Er hielt sich in der Mitte des Aufgebots, zwischen der Felswand der Schlucht und dem Flußbett. Über ihnen hatte der Ausschnitt des Himmels sich grau zu verfärben begonnen, aber die morgendliche Aufhellung betonte lediglich die Düsternis am Grunde der Schlucht. Birinairs einsame Fackel flackerte, als wäre das Flämmchen in eine Wildnis abgeirrt. Die Mitglieder des Aufgebots mußten schreien, um sich durchs Lärmen der Strömung miteinander zu verständigen. Lebhaft erteilte Quaan seinem Fähnlein letzte Befehle. Die Krieger prüften ihre Waffen. Mit einigen Gesten und ein- oder zweimaligem knappen Nicken traf Tuvor seine abschließenden Vorbereitungen unter den Bluthütern.
Covenant packte seinen Stab und vergewisserte sich des Vorhandenseins seines Steinhausener Messers – Atiarans Messers. Ihn befiel der vage Eindruck, etwas vergessen zu haben. Aber ehe er versuchen konnte, sich darauf zu besinnen, lenkte ihn Geschrei ab. Der alte Birinair brüllte Hoch-Lord Prothall an. Der Herdwart wahrte diesmal offenbar seine bärbeißige Würde nicht. Er schob sein griesiges, schlottriges Gesicht Prothall entgegen und schnauzte ihn durchs Rauschen der Fluten aus vollem Hals an. »Du kannst's nicht! Die Gefahr!« Prothall schüttelte in unmißverständlicher Ablehnung den Kopf. »Du kannst nicht vorangehen! Laß mich voran!« Wieder verneinte Prothall stumm. »Natürlich!« brüllte Birinair, darum bemüht, durch das Heulen des Wassers seine Entschiedenheit zum Ausdruck zu bringen. »Du darfst's nicht! Ich kann's! Ich kenne die Schleichwege! Versteht sich von selbst. Bist du allein alt genug, um etwas gelernt zu haben?! Ich kenne die alten Karten. Ich bin kein Trottel, mußt zu bedenken – wenn ich auch alt und ...« Für einen Moment versagte seine Stimme. »... alt und nutzlos wirke. Du mußt mir gestatten, daß ich vorangehe!«
Prothall versuchte, laut zu brüllen, ohne seiner Stimme zugleich Verärgerung zufließen zu lassen. »Die Zeit ist knapp! Wir dürfen nicht säumen. Birinair, alter Freund, ich kann die Gefahr der Führerschaft bei diesem Unternehmen keinem anderen auferlegen. Mein Platz ist an der Spitze.«
»Narr!« kreischte Birinair, wagte jede Unverschämtheit, um sich durchzusetzen. »Wie wirst du nur Einsicht haben?«
»Einsicht?« – »Natürlich!« Der Herdwart bebte vor lauter Sarkasmus. »Geh nur voraus! Setz alles aufs Spiel! Leuchte uns den Weg mit Lord-Feuer! Tor! Seibrich wird dich bemerken, ehe du die Schrathöhlenbrücke erreichst!«
Endlich begriff Prothall. »Ach, das ist wahr.« Er erschlaffte, als schmerze ihn diese Erkenntnis. »Dein Licht ist ruhiger als meins. Seibrich wird unser Kommen sicherlich spüren, falls ich meinen Stab verwende.« Ruckartig wandte er sich zur Seite, nun zornig. »Tuvor!« rief er gebieterisch. »Herdwart Birinair geht voraus! Er wird uns an meiner Stelle den Weg erhellen. Behüte ihn wohl, Tuvor! Laß diesen unseren alten Freund nicht den Gefahren zum Opfer fallen, die zu erdulden mir geziemte.« Birinair straffte sich, fand in der übernommenen Verantwortung seine Würde wieder. Er löschte die Fackel, die er trug, und übergab den Stock einem Krieger, damit er sie zu seinen übrigen Hölzern packe. Dann schlug er ans obere Ende seines Stabes, und eine Flamme loderte daraus empor. Mit einem brüsken Wink reckte er sein Feuer in die Höhe und schritt steifgliedrig den Uferpfad zum Maul des Donnerbergs voran. Sofort überholten Terrel und Korik den Allholzmeister und hielten sich zum Zwecke der Erkundung ungefähr sechs Meter vor ihm. Zwei andere Bluthüter blieben fortan unmittelbar hinter ihm; ihnen schlossen sich nebeneinander Prothall und Mhoram an, gefolgt von zwei weiteren Bluthütern, denen wiederum einzeln Mähnenhüter Lithe, Covenant und Bannor nachfolgten. Dahinter marschierten Quaan und sein Fähnlein in Dreierreihen, und die zwei letzten Bluthüter gaben die Nachhut ab. In dieser Formation zog das Aufgebot zum Eingang zu den Katakomben.
Covenant schaute flüchtig auf und versuchte einen letzten Anblick Schaumfolgers zu erhaschen, zurückgeblieben in der Ausguckbresche oberhalb der Verräterschlucht. Aber es war zu finster in der Schlucht, und er vermochte den Riesen nicht zu erkennen. Außerdem erforderte der Uferpfad seine Aufmerksamkeit. Er verschwand unter Schaumfolger ohne einen Wink oder sonst irgendeinen Abschiedsgruß in
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