Der Fluch des Verächters - Covenant 01
gerieten auf eine schmale, in den Fels eines senkrechten Schachts gehauene Wendeltreppe. Infolge der Schmalheit dieser Treppe konnten sie sie nur im Gänsemarsch ersteigen. Und der Wind fauchte mit einem Jaulen den Schacht empor, als fliehe er aus den Katakomben in nacktem Entsetzen.
Covenant stöhnte, sobald er merkte, daß er von neuem das Risiko einer unzumutbaren Höhe auf sich nehmen mußte, aber der Wind blies so kraftvoll von unten herauf, daß es unmöglich zu sein schien, in seiner Aufwärtswucht zu fallen. Indem er sich benommen in die Windungen der Wendeltreppe legte, kämpfte er sich auf ihrem Verlauf empor. Auch nach oben war der Schacht vollkommen senkrecht, und der Wind johlte aus Pein; und das Aufgebot kletterte, als zerre der Luftstrom es mit sich in die Höhe. Aber als der Schacht immer enger zulief, verstärkte sich die Gewalt des Windes; die Luft raste schier zu schnell aufwärts, um noch geatmet werden zu können. Während die Truppe hinaufkeuchte, suchten Wirrnis und Schwindelgefühl sie heim. Der Schacht schien gefährlich von der einen zur anderen Seite zu schwanken. Covenant klomm auf Händen und Knien. Kurz darauf kroch das ganze Aufgebot.
Nach einer Durststrecke der Luftlosigkeit, die sich ringsum endlos auszudehnen schien, lag Covenant schließlich ausgestreckt auf den Stufen. Er regte sich nicht. Undeutlich hörte er, wie Stimmen das Brausen des Windes mit Gebrüll zu durchdringen versuchten. Aber er war über jedes Zuhören hinaus. Er spürte, daß er sich am Rande des Erstickens befand, und alles, was er noch wollte, war weinen. Er konnte sich kaum daran erinnern, was ihn selbst jetzt noch hinderte, seinem Jammer freien Lauf zu lassen. Hände packten ihn an den Schultern, schleiften ihn empor auf flachen Stein. Sie zerrten ihn vier oder fünf Meter weit über den Grund eines schmalen Felsspalts. Das Heulen des Windes wich in den Hintergrund. Er hörte Quaan einen erstickten, röchelnden Jubelruf ausstoßen. Mühsam hob Covenant den Kopf. Er lag mit ausgebreiteten Gliedmaßen in dem Felsspalt, genau an der Stelle, wo er auf einen der ostwärtigen Hänge des Donnerbergs mündete. Über einer flachen, grauen Ebene weit drunten ging die Sonne auf. In seinen betäubten Ohren klang selbst der Jubel wie Schluchzen. Das Geschrei schwoll an, als die Krieger, einer nach dem anderen, aus der Felsspalte kletterten, an ihm vorbei in die morgendliche Dämmerung traten. Lithe war bereits ein Stück weit hinabgehüpft und lag nun auf den Knien, küßte die Erde. Weit entfernt, jenseits der Sarangrave-Senke, des schimmernden Bandes, als das sich der Unflatfluß darzubieten wagte, sowie des Großen Sumpfes erhob sich gleichmäßig die Sonne, umhüllt von roter Pracht. Covenant setzte sich auf und schaute hinüber zu den Lords, um zu sehen, wie sie ihren Sieg aufnahmen. Aber man merkte ihnen keinerlei Triumph an. Der Hoch-Lord saß zusammengesunken da wie ein Sack voller alter Knochen, den Stab des Gesetzes quer auf den Knien. Sein Kopf war gesenkt, und er verbarg das Gesicht hinter beiden Händen. Neben ihm stand still und grimmig Mhoram, und sein Blick war so trostlos wie eine Wildnis. Covenant verstand das nicht.
»Hier können wir Widerstand leisten«, sagte Bannor.
Mhorams Antwort fiel gedämpft, aber heftig aus. »Wie denn? Seibrich kennt viele Wege. Wenn wir ihn hier zurückschlagen, wird er uns von drunten angreifen ... oder von oberhalb. Er vermag Tausende wider uns aufzubieten.«
»Dann verschließ diese Kluft, um die Verfolgung zu verzögern.«
Mhorams Stimme klang noch leiser: »Der Hoch-Lord besitzt nicht länger seinen Stab. Ich allein kann diese Öffnung nicht schließen ... mir ist nicht genug Kraft geblieben. Oder glaubst du, ich wäre stark genug, um die Wände des Spalts niederzureißen? Nein, ich bin's nicht ... selbst wenn ich's über mich brächte, der Erde auf solche Weise Schaden zuzufügen. Wir müssen fliehen. Dort entlang ...« Er deutete mit einer Hand, die bebte, den Berghang hinab. Covenant schaute hinunter. Der Spalt ging über in den Grund eines Hohlwegs, der an der Seite des Donnerbergs gerade abwärts verlief wie ein Messerschnitt. Die ganze Strecke des Einschnitts war behäuft und übersät mit großen Felsbrocken – herabgestürzten Steinklötzen, Bruchstücken der höheren Klippen, abgestorbenen Teilen des Berges gleich. Und seine Wände waren glatt, unersteigbar. Für eine halbe Länge müßten die Mitglieder des Aufgebots sich umständlich ihren Weg durch die
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