Der Fluch des Volkstribuns
Bart und argwöhnische kleine Äuglein, die eine Nase von der Größe einer Schiffsramme flankierten.
»Willst du geschäftlich zu meinem Herrn?«
»Ist dein Herr Elagabal der Syrer?« fragte ich. »So ist es.«
»Dann ja.«
Der Mann stand unbeweglich da. Vielleicht war der kurze Wortwechsel zu kompliziert für ihn gewesen. Während er noch den subtilen Nuancen nachsann, ertönte hinter ihm eine Stimme.
»Dieser Mann ist ein Senator. Laß ihn herein.« Der Muskelberg bewegte sich zur Seite, und ich trat ein und befand mich in einem Atrium, dessen Einrichtung an eine zeremonielle Tempelpforte erinnern sollte. Diverse Statuen standen herum, in menschlicher Gestalt, aber in ziemlich steifen Posen.
»Ich muß mich für Bessas entschuldigen. Er verteidigt meine Privatsphäre mit großem Geschick, aber wenig Klugheit.« Der Mann war dünn und von vage orientalischem Aussehen. Er trug eine lange Robe und einen spitzen Hut. Auch sein Bart war spitz.
»Ich nehme an, ich spreche mit Elagabal?«
»Zu deinen Diensten«, erwiderte er, legte die Finger einer Hand gespreizt auf die Brust und verneigte sich.
»Decius Caecilius Metellus der Jüngere, Senator und Kandidat für das Amt des Aedilen im kommenden Jahr.«
»Ah, ein überaus wichtiges Amt«, bemerkte er.
»Und eines, mit dem du schon offiziell zu tun hattest, wie ich höre.«
»Ist dies ein offizieller Besuch, Senator?« fragte er.
»Gewissermaßen.«
Er machte keinen sonderlich besorgten Eindruck. »Dienstlich oder privat, es besteht kein Anlaß zur Unbequemlichkeit. Bitte akzeptiere die Gastfreundschaft meines Hauses. Wenn du mir bitte folgen willst, können wir es uns oben bequem machen.«
Wir stiegen eine Treppe hinauf zu einem prächtigen kleinen Dachgarten, dessen Pflanzen ich zum Teil schon von der Straße aus gesehen hatte. In den Ecken standen Orangenbäume in riesigen Tontöpfen, die im Sommer angenehmen Schatten spendeten. Jetzt, im November, waren sie zurückgeschnitten, doch noch immer üppig. In der Mitte des Gartens plätscherte Wasser in einem anmutigen kleinen Brunnen. Es gab nur wenige Viertel Roms, in denen der Wasserdruck hoch genug war, um so viel Wasser in den dritten Stock eines Hauses zu pumpen.
Elagabal machte mir ein Zeichen, an dem kleinen Tisch Platz zu nehmen, und setzte sich mir gegenüber. Kurz darauf brachte eine junge Sklavin ein Tablett mit den üblichen Erfrischungen sowie einigen Streifen mit grob gemahlenem Salz bestreutes Fladenbrot.
»Ich bitte um Nachsicht für eine Sitte meines Landes; Brot und Salz ist das Mahl, was wir traditionellerweise einem neu eingetroffenen Gast anbieten. Es ist ein uraltes Zeichen der Gastfreundschaft.«
»Ich kenne den Brauch.« Ich nahm einen Streifen Brot und aß ihn. Er war noch ofenwarm und schmeckte erstaunlich gut. Das Sklavenmädchen stand schweigend dabei. Ihr dichtes schwarzes Haar war hüftlang. Sie war barfuß und trug ein schlichtes purpurrotes Wickeltuch, das an den Rändern mit gelbem Garn abgesteppt war und sie von den Achselhöhlen bis zu den Knien bedeckte. Sie hielt den Blick ernst zu Boden gesenkt, ganz ohne die lässige Unverschämtheit, die man so oft bei römischen Sklaven sieht.
Im Gegensatz zu den meisten Römern bemühte ich mich, die Sitten anderer Völker zumindest grob zu beachten, und ich wußte, daß man im Osten sein Anliegen nicht direkt zur Sprache brachte, weil das als unhöflich und als Zeichen schlechter Erziehung galt.
»Die Götter in deinem Atrium«, sagte ich, ein möglichst profanes Thema ansprechend, »welcher von ihnen ist Baal?«
Er lächelte. »Alle.« »Alle?«
»Baal bedeutet in meiner Sprache einfach nur Herr. In meinem Teil der Welt verwenden wir die wirklichen Namen unserer Götter selten oder nie. Diese Praxis ist so alt, daß manche Namen schon in Vergessenheit geraten sind. Also sprechen wir unsere Götter mit ihrer bekanntesten Eigenschaft oder ihrer Herkunft an. Baal Tsaphon etwa ist der Herr des Nordens, Baal Shamim der Herr der Lüfte, Baal Shadai der Herr des Berges und so weiter. Eine Göttin ist Baalat, was natürlich nichts anderes heißt als Herrin.«
»Ich verstehe«, sagte ich. »Gilt das für alle Länder östlich von Ägypten?«
»Mehr oder weniger. Baal wird in den verschiedenen Dialekten geehrt. Für die Babylonier ist er Bei, für die Judäer El, für die Phönizier und ihre Kolonien Bai. Mein eigener Name heißt, aus einer archaischen Sprache übersetzt: >Mein Herr war mir gnädig.< Es ist auch Teil des
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