Der Fluch des Volkstribuns
deponiert.
Wie immer ergaben sich Fragen. Wer waren die anderen Männer? Waren es Männer, die ich in seinem Haus gesehen hatte, oder war es jemand ganz anderes? Warum hatten sie seine Leiche am Ufer liegen lassen, statt sie im Fluß zu versenken?
Und vor allem, wer hatte ihn getötet?
Jedenfalls war er nicht unmittelbar von den Wohlgesinnten angegriffen worden. Und was wäre geschehen, wenn man seine Leiche tatsächlich in den Fluß geworfen hätte? Vielleicht wäre sie bis nach Ostia und weiter ins offene Meer hinausgetrieben, um als Fischfutter zu enden. Und die Frau hatte beobachtet, daß er seine Robe in einen Sack gestopft hatte, während die Leiche damit bekleidet gewesen war. Brillante philosophische Schlußfolgerung: Die Mörder wollten, daß die Leiche gefunden wurde, und indem sie sie in die Robe wickelten, stellten sie sicher, daß sie trotz ihres ramponierten Zustands identifiziert werden würde.
Ich war recht zufrieden mit mir, als ich mich auf den Heimweg begab. Ich machte Fortschritte. Die Frage war nur, ob ich das Rätsel gelöst haben würde, bevor Ateius bestattet wurde und ein randalierender Mob die Stadt in Stücke zerlegte?
Bis nach Hause war es ein weiter Weg. Der Tag verblaßte, Rom machte für die Nacht dicht. Türen wurden geschlossen, Läden verriegelt, Planen herunter gelassen. Das Hämmern der Schreiner und Schmiede verstummte, und die Leute nahmen zum Abendessen Platz. Die Stadt wirkte friedlich, nichts deutete auf einen Aufstand hin, aber Rom kann sehr trügerisch sein.
An der Kreuzung der Via Triumphalis und der Via Sacra traf ich Hermes.
»Ich dachte mir, daß ich dich vielleicht hier erwische«, sagte er. »Julia fragt nach dir. Ich habe schon den ganzen Nachmittag auf dem Forum nach dir Ausschau gehalten. Sie macht sich Sorgen.«
»Wieso denn? Sie weiß doch, daß ich mit einer Sonderermittlung betraut bin und nicht regelmäßig...«
»Nein«, unterbrach er mich. »Sie macht sich Sorgen, daß du irgendwo betrunken herumliegst.« Der kleine Bankert genoß das offensichtlich auch noch.
»Siehst du jetzt, was ich mitmache? Die Frau vertraut mir nicht.« Ich sah ihn kurz an, doch er wandte den Blick ab.
Wir waren keine zwei Straßen mehr von meinem Haus entfernt, als ich zwei Männer sah, die langsam vor uns her gingen: untersetzte Schläger in groben Tuniken, deren breite Schultern fast die ganze Straße einnahmen und die sich beiläufig in alle Richtungen umsahen außer in unsere. Ihre Schritte wurden immer langsamer, so daß wir unvermeidlich näher kamen. Und es gab keine Möglichkeit, sich an ihnen vorbei zu drücken. Die Dämmerung senkte sich, doch ich konnte sie deutlich erkennen.
»Ähm, Herr...«, Hermes benutzte diese Anrede nur selten, wenn wir allein waren, es sei denn, er hatte etwas Wichtiges zu sagen.
»Ich habe sie gesehen«, erklärte ich ihm. »Direkt vor uns.
Nun, da müssen wir halt...«
»Eigentlich«, unterbrach er mich, »wollte ich dich auf die beiden hinter uns aufmerksam machen.«
»Den Göttern sei Dank, daß ich keine meiner guten Tuniken trage. Hast du deinen Stock?«
»Ja.«
»Dann wollen wir mal sehen, ob es sich rentiert hat, dich zur Ludus zu schicken.« Ich griff unter meine Tunika und schlüpfte mit meiner Linken in meinen Caestus, mit der Rechten tastete ich nach meinem Dolch. Hermes zückte seinen Stock, einen Knüppel aus Hartholz, ein Stück länger als sein Unterarm und damit etwa genauso lang wie die Übungsschwerter, die in der Ludus zum Training benutzt wurden.
»Übernimm du die beiden hinter uns«, sagte ich. Der Caestus schränkte die Bewegungsfreiheit ein; ich riß mir meine Alltagstoga vom Leib, in deren Saum ich Bleikügelchen hatte einnähen lassen, damit sie nicht im Wind flatterte und sich auch anderweitig einsetzen ließ.
Die beiden Männer vor uns fuhren herum, in gebückter Haltung, mit gezückten Dolchen. Ich war nicht an einer Unterhaltung oder Verhandlung interessiert, nicht bei zwei gegen einen. Der Mann zu meiner Linken hatte die Bleigewichte schon im Gesicht, bevor er sich richtig gesammelt hatte. Ich ließ die Toga los, deren lose Enden sich um seinen Kopf wickelten, und griff an. Ich bin stets der Ansicht gewesen, daß es wenig Zweck hat zu taktieren, wenn man in der Minderheit ist und die Lichtverhältnisse diffus sind. Ein direkter, gnadenloser Angriff ist immer noch die beste Strategie, es sei denn, man kennt einen guten Fluchtweg, der in diesem Fall leider verbaut war.
Der Mann zu meiner Rechten war
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