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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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Stamm, und seine Kinder, meine Mutter eingeschlossen, sind ihm gar nicht mal so unähnlich.«
    Sie legt den Kopf zur Seite und sieht Nelly nachdenklich an.
    »Die Einzigen, die nicht ins Familienschema passen wollten, waren Tante Magraja und die jüngste Generation, das heißt ich, Giancarlo und Serena. Giancarlo hat darüber, wie man sieht, sein Leben gelassen. Serena erscheint schwach, aber im Grunde ist sie stark. Ich meinerseits habe den Atlantik zwischen mich und meine Familie gebracht, sobald ich konnte, und Tante Magraja ist auf ihre Art geflohen. Die Eheleute der Pisus, also Großmutter Lorenza, Tante Alice und mein Vater, hatten und haben ein schweres Leben. Mein Vater ... Unter der Fassade des besonnenen Gentlemans ist er raffgierig. Meine Mutter hat ihn mit Geld und Prestige gehalten.«
    Sie haben sich ein wenig abseits in eine Fensternische gestellt und blicken über die graue Stadt, das trübe Meer, bleiern wie der Himmel. Plötzlich hat Nelly Mitleid mit der hart wirkenden Frau, die so geworden ist, um sich zu retten, wenn es denn geholfen hat.
    »Entschuldigen Sie, Dottoressa, aber weshalb erzählen Sie mir das alles?«
    Susanna seufzt.
    »Weil ich mir wünsche, dass die Wahrheit ans Licht kommt, so es eine Wahrheit gibt. Ich wünsche mir, dass derjenige, der Giancarlo auf dem Gewissen hat, dafür zahlt, und dass der Fluch, der auf meiner Familie lastet, seit ich denken kann, endlich gebannt wird. Ich fürchte«, sie senkt die Stimme, »dass mein Großvater schlimme Dinge auf dem Gewissen hatte. Sehr schlimme Dinge. Und dass er Sardinien deshalb verlassen hat. Einmal – ich war noch ein Kind und im Haus meiner Großeltern zu Besuch – hatte ich mich zum Spielen unter seinem Schreibtisch versteckt. Er ist hereingekommen, weil das Telefon klingelte, und weil ich Angst hatte, ausgeschimpft zu werden, bin ich mucksmäuschenstill dort hocken geblieben. Ich werde niemals seine Stimme vergessen – er schrie nicht, doch sein Ton war furchteinflößend. Er sagte zu der Person am anderen Ende der Leitung, sie solle ihn nie wieder anrufen, sie wisse ganz genau, was ihr sonst blühen würde und zu was er, Giacomo Pisu, fähig wäre. Dann hat er aufgelegt, ist wie ein Raubtier im Zimmer auf und ab gewandert und schließlich türenschlagend rausgegangen. Und noch etwas habe ich erlebt, wieder in meinem Versteck ...«
    Susanna Pizzi lässt den Blick durch das Zimmer schweifen, als wäre sie wieder klein und ganz woanders. Sie atmet tief ein und schließt die Augen. Nelly bemerkt, dass Marilena Pizzi sie mit gerunzelter Stirn beobachtet.
    »Was haben Sie gesehen oder gehört, Dottoressa?«, fragt Nelly schnell.
    Susanna Pizzi schaut verlegen zur Seite.
    »Ich weiß nicht, weshalb ich Ihnen diesen ganzen privaten Familienkram erzähle ... Sie sollten lieber mit Tante Magraja reden, es hat nämlich mit ihr zu tun.« Mit diesen Worten wendet sie sich brüsk vom Fenster ab und geht davon. Marilena scheint erleichtert zu sein.
    Am anderen Ende des Raumes sieht sie Filippo De Magistris, der sich gerade mit Serena Pisu unterhält. Das sieht ja seltsam vertraut aus, die wirken wie alte Freunde . Plötzlich steht Fiorenza De Mattei mit einem Glas Nebbiolo neben ihr.
    »Dottoressa Rosso, sind Sie zufrieden mit dem Ausgang der Geschichte?«, fragt sie provokant.
    »Was soll das heißen, zufrieden? Wieso sollte ich mich über solch ein tragisches Ende freuen? Ihnen ist wohl die Trauer über den Tod Ihres Mandanten aufs Hirn geschlagen.«
    Die Anwältin zuckt zusammen, so eine Reaktion hatte sie nicht erwartet.
    »Ich hatte den Eindruck, Sie seien von Giancarlos Schuld überzeugt und deshalb vielleicht froh, sich nicht mehr um den Fall kümmern zu müssen«, entgegnet sie leicht verunsichert. »Liege ich falsch?«
    Nelly sieht sie eisig an, zischt: »Ja, Avvocato, da haben Sie wirklich voll danebengehauen«, dreht sich um und lässt sie mit ihrem Nebbiolo stehen.
    Sie will sich gerade zu Basile gesellen, der etwas verloren in der Gegend herumsteht, als Signor Pizzi plötzlich neben ihr auftaucht und ihr ein Glas Champagner anbietet.
    »Danke, Signor Pizzi, aber ich muss leider ablehnen. Es wäre das vierte, und ich habe keine Lust, mich zu so einem Anlass lächerlich zu machen.«
    Der Mann lächelt, und die Ähnlichkeit mit seiner Tochter wird noch deutlicher. Er scheint ihre Gedanken zu lesen, denn er sagt:
    »Wie ich sehe, haben Sie Susanna kennengelernt. Meine Tochter ist ein großartiger Mensch.«
    »Ja, wirklich eine

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