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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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Schlafsäcken. Die Familie mit den Pitbulls saß ebenfalls im Self-Service-Bereich. Die beiden Jungs, die es faustdick hinter den Ohren zu haben schienen, hatten Mund und Hände voller Pommes Frites und stritten sich um die letzten Bissen. Nelly bekam plötzlich eine heftige Sehnsucht nach Mau in dem Alter: ein mageres Kind mit riesigem roten Haarschopf und grauen Schlitzäuglein, fröhlich, immer dreckig und mit aufgeschlagenen Knien, das es kaum abwarten konnte, ins Sommerlager der Pfadfinder zu fahren, von wo es braungebrannt, noch dreckiger und mit noch aufgeschürfteren Knien zurückkehrte.
    Wie schnell diese Zeit vergangen ist, die einem wie eine Ewigkeit erschien. Ein Atemzug, ein Wimpernschlag. Meine liebe Nelly, du tickst nicht mehr ganz sauber. Es geht schwer bergab mit dir. Komm wieder zu dir und denk an dich, nach all den Jahren, in denen Mau ständig im Mittelpunkt stand. Wie viel Raum hat er eingenommen, wie viel Leben verbrannt – und gegeben.
    »Dottoressa, glauben Sie wirklich, wir werden in dem Dorf etwas finden? Irgendein verborgenes Geheimnis, das für die Todesfälle bei den Pisus verantwortlich ist?«, riss Gerolamo sie aus ihren Gedanken.
    »Ich habe keine Ahnung, Gerolamo. Aber einen Versuch ist es wert. Basile hat mir gesagt, aus der Ferne ließe sich nichts ausrichten, seine sardischen Bekannten hätten nichts Interessantes herausfinden können. Sie wohnen nicht dort, sondern an der Küste oder in Cagliari. Ich muss zugeben, ich bin echt neugierig. Auf den Ort, auf die Menschen. Alles, was ich über Sardinien weiß, ist widersprüchlich und lückenhaft. Einerseits die Nuragen, die Dolmen, Grazia Deledda, Padre Padrone , die Hirten, die Fehden, die Entführungen und so weiter. Auf der anderen Seite das Billionaire – oder heißt es Millionaire ? Wie auch immer, dieses Lokal von Flavio Briatore, Porto Cervo, die Luxusyachten, die Costa Smeralda, der Jet Set, Soru und Tiscali. Alles zusammengequirlt in meinem ignoranten Festlandshirn. Wieso bist du nicht Sarde? Dann könntest du mich wenigstens ein bisschen aufklären!«
    Sie gingen wieder hinaus und schauten auf das unter ihnen liegende Deck hinunter. Ein paar junge Leute saßen dort im Kreis und plauderten, die Schlafsäcke neben sich. Ringsherum waren Himmel und Meer zu einer nachtschwarzen Einheit verschmolzen. Die Luft war kühler geworden, und Nelly erschauderte.
    »Ich glaub, ich gehe schlafen. Wir sehen uns morgen früh.«
    Er nickte. »Gute Nacht, Dottoressa.« Sie machte auf dem Absatz kehrt und ging zu ihrer Kabine.

 
    ZWEITER TEIL
     

I
     
    Als Nelly morgens um halb sieben durch den Weckton ihres Handys erwachte, hatte sie das Gefühl, in der Nacht eine unsichtbare Linie überschritten zu haben. Das Rollen des Schiffes hatte sie die ganze Zeit über in einem vor Symbolen und zehrenden Träumen berstenden Schlaf gewiegt, von denen nur eine vage Verstörtheit und nebulöse Bilder geblieben waren. Sie schlüpfte in Jeans, T-Shirt und Wollpulli und ging Richtung Speisesaal. Es war fast sieben Uhr, genau die richtige Zeit, um noch rasch zu frühstücken.
    Die sardische Küste war schon seit geraumer Zeit in Sicht, ein diesiger, in pudriges Licht getauchter Streifen. Das Deck wimmelte vor aufgeregt plappernden Teenagern. Ein paar lagen noch in ihren Schlafsäcken. Die Mülleimer quollen über vor Bier- und Coladosen und wurden von ein paar Schiffsleuten in große Säcke entleert. Die Sonne stieg als rot leuchtender Ball über den Horizont, spiegelte sich auf den Wellen und verwandelte die Fähre in ein magisches Segelschiff. Nelly sog die salzige Luft tief in ihre Lungen. Der Grund der Reise war mit einemmal wie weggeblasen. Einen Moment lang stand sie da, genoss das herrliche Licht und machte sich dann auf den Weg zum Self Service.
    Gerolamo saß schon da, nippte an dem ersten von zahlreichen Kaffees, die im Laufe des Tages noch folgen sollten, und begrüßte sie mit einem breiten Lächeln. Inzwischen lehnten die Passagiere über der Reling. Sardinien erschien nun schon zum Greifen nahe, und die am Himmel kreisenden Möwen sowie ein paar Delfine, die immer wieder im schaumigen Kielwasser auftauchten, zogen die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich. Die Luft war lau, der Wind zauste in den Haaren und schenkte einem ein Gefühl von Freiheit und Abenteuer.
    Plötzlich riss sich das Pitbullmännchen, das soeben aus seinem Käfig befreit worden war, mit einem Ruck von der Leine seines kleinen Herrn und flitzte zwischen den belustigten

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