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Der Fluch vom Valle della Luna

Der Fluch vom Valle della Luna

Titel: Der Fluch vom Valle della Luna Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosa Cerrato
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der zweiten Klasse. Das war 1937, wir sind beide Jahrgang dreißig. Und hier«, sie hielt Nelly ein zweites Foto hin, »hier sind wir fünfzehn. Ganz hübsch, was? Der Krieg war gerade vorbei und alle waren froh.«
    Nelly griff nach dem zweiten Foto und betrachtete das hübsche halbwüchsige Mädchen mit langen Zöpfen und geblümtem Kleid, das einmal Sandras Mutter werden sollte. Kurze Söckchen in den Schuhen. Auch Amalia hatte sich verändert, sah jedoch noch kindlicher aus, schmal und zerbrechlich. Zwei seitliche Strähnen des langen, dunklen Haars waren auf dem Kopf mit einer Schleife zusammengebunden, der Rest fiel offen auf die Schultern. Lachend blickten die beiden Mädchen in die Kamera. Anna deutete eine Grimasse an.
    »Das Foto hat Saro geschossen. Er hatte gerade einen Fotoapparat zum Geburtstag bekommen und war mächtig stolz darauf. Er hat Annina damals den Hof gemacht ...«
    »Signora Anna hat ihn erwähnt. Könnte man sich mit ihm unterhalten?«
    Signora Amalias Miene veränderte sich schlagartig. Ein trauriges Lächeln huschte über ihre Lippen. Sie stand abermals auf und nahm ein schwarzgerahmtes Foto aus einer Vitrine, ein Halbporträt, wie man es beim Fotografen machen lässt. Es zeigte einen ernst dreinblickenden Mann. Er war nicht schön – große Nase, kräftiges Kinn, glattes, mit Brillantine nach hinten gekämmtes Haar –, strahlte jedoch Kraft und Energie aus.
    »Das war Saro Melis mit fünfundzwanzig, als wir uns verlobt haben. Er war mein Mann, doch wenn Sie ihn befragen wollen, müssen Sie zum Friedhof gehen. Allerdings war Saro schon zu Lebzeiten nicht besonders redselig«, schloss sie und zog die Schultern hoch. Nelly versuchte, ihre Überraschung nicht zu zeigen.
    »Das tut mir leid, Signora Amalia. Ich wollte keine schmerzlichen Erinnerungen wecken, ich wusste nicht, dass er Ihr Mann war.«
    »Grämen Sie sich nicht, wie sollten Sie das von Saro wissen.« Signora Amalia nahm ihr das Bild aus den Händen und stellte es behutsam in die Vitrine zurück.
    »Ihre Freundin Anna hat sehr unter dem Tod ihres Vaters gelitten ...«
    »O ja, sehr. Sie war seine kleine Prinzessin, und danach war nichts mehr wie vorher. Dieser Mord hat ihr Leben auf den Kopf gestellt.«
    »Dieser Mord? Aber niemand ist für seinen Tod verantwortlich gemacht worden.«
    Signora Amalia sah sie mitleidig an.
    »Verantwortlich gemacht? Natürlich nicht. Doch im Dorf wurde gemunkelt ... Na ja, viele haben hinter vorgehaltener Hand auf den Bruder von Anninas Vater gezeigt, auf Samuele, er sei der Mörder, oder der Auftraggeber. Damals wussten Annina und ich nichts davon, wir waren junge Dinger, niemand redete mit uns darüber, und dann hat Anninas Mutter ihre Siebensachen gepackt und ist mit ihr auf und davon. Wir haben uns noch ungefähr ein Jahr lang geschrieben. Saro schrieb ihr auch. Er hat gehofft, sie würde zurückkommen, auch in Genua besuchen wollte er sie, aber dann hat sie plötzlich aufgehört zu schreiben. Sie hat keinem von uns mehr geantwortet. Die Briefe kamen zurück mit der Aufschrift ›Empfänger unbekannt‹. Wieso bloß? Hat Annina Ihnen etwas dazu gesagt?« Fragender Blick.
    »Die Mutter hatte ihr jeglichen Kontakt mit dem Heimatdorf verboten, sie hat Ihre Briefe offenbar abgefangen und sie zurückgeschickt und Annas Briefe zerrissen. Auch sie war überzeugt, dass der Tod ihres Mannes kein Unfall war, und sie hat ihrer Tochter wohl auch erzählt, der Schwager Samuele habe sie um die Erbschaft betrogen.«
    »So ist das also gewesen. Ich weiß nicht recht, ob ich darüber sehr traurig sein sollte. Immerhin habe ich Saro abgekriegt«, seufzte sie und errötete leicht. »Ansonsten waren sich hier alle einig, dass Samuele Pisu die Schwägerin mithilfe des Notars Secci um ihre Erbschaft betrogen hatte. Die beiden haben wohl Geschäfte miteinander gemacht.«
    Nelly spitzte die Ohren. »Was für Geschäfte?«
    »Tja, das weiß ich nicht. Sicher ist, dass der Notar die Apotheke für einen seiner Söhne bekommen hat, für Giovanni, und dass Samuele Pisu nach dem Tod des Bruders stets die Taschen voll Geld hatte. Sie waren ganz dicke, so sehr, dass der Notar seine Tochter Lorenza Samueles einzigem Sohn Giacomo zur Frau gegeben hat. Und Giacomo war sowohl mit Giovanni Secci als auch mit dem anderen Notarssohn Giosué, ebenfalls Notar, der vor zwei Jahren gestorben ist, unzertrennlich. Zusammen auf der Jagd, in der Bar, im Verein, in der Stadt, in Tempio, in Sassari und wo sie überall ihren Geschäften

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