Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
doch wohl nicht trinken?«
»Warum denn nicht?« Joss setzte sich an den Tisch und griff nach dem Glas.
»Wegen der Milch natürlich.«
Es folgte ein Moment Stille, dann nahm Joss einen Schluck Whisky. »Ich bin mir sicher, daß Ned mir das nicht übelnimmt«, sagte sie dann entschlossen. »Was soll’s, wenn er jetzt schon mit dem Trinken anfängt. Ich bin sicher, er tut es später ohnehin. Und wenn er morgen in der Kirche einen Schluckauf bekommt, kann man auch nichts machen.«
»Also gut. Wie ich sehe, soll ich mich da wohl raushalten.« Mit zusammengepreßten Lippen ging Lyn zur Tür. »Bis später.«
»Oh, du liebe Güte.« Janet prostete Joss lächelnd zu. »Sind Sie nicht artig gewesen?«
Joss nickte und nahm noch einen Schluck. »Dabei hat sie gar keine eigenen Kinder!« stieß sie hervor. »Und sie führt sich auf, als würde sie genau Bescheid wissen.«
»Sie kümmert sich um die Kinder, nicht?« Janet lehnte sich zurück und betrachtete Joss. »Wahrscheinlich glaubt sie, daß das zu ihrem Job gehört. Außerdem hat sie das doch gelernt, oder?«
»Sie hat gar nichts gelernt, außer Kochen.« Joss stand auf und ging um den Tisch zum Herd, wo sie den Topf zu sich zog und
den Inhalt inspizierte. »Sie hat ein bißchen gejobbt, und sie ist ein Mensch, dem es im Blut liegt, einen Haushalt zu führen und zu organisieren.«
»Deswegen ist sie um keinen Deut weniger intelligent oder empfindsam, Joss«, gab Janet zu bedenken.
»Ich weiß.« Joss setzte sich wieder an den Tisch. »Ach, Janet, das war nicht nett von mir, das zu sagen. Ich bin ihr ja wirklich dankbar. Ohne Lyn kämen wir überhaupt nicht zurecht. Aber irgendwie gibt sie mir das Gefühl … «, sie breitete die Hände zu einer hilflosen Geste aus, »… daß ich unzulänglich bin. In meinem eigenen Haus. Ich brauche ewig, um Sachen auszusortieren und zu polieren. Dann kommt sie und macht es in dreißig Sekunden. Aber sie macht es auf eine so kalte und geschäftige Art. Sie empfindet nichts dabei…« Sie zuckte mit den Schultern. »Es ist schwer zu erklären.«
Janet lächelte. »Nein, das ist es nicht. Sie sind einfach zwei sehr unterschiedliche Persönlichkeiten. Und das hat nichts damit zu tun, daß Sie Adoptivschwestern sind. Ich verstehe mich auch nicht so gut mit meinen Schwestern, dabei ist eine von ihnen meine Zwillingsschwester. Akzeptieren Sie einfach, daß Sie verschieden sind, Joss. Vielleicht wie Martha und Maria. Eigentlich sollten sie sich gegenseitig ergänzen. Aber ich habe eher das Gefühl, daß Sie sich zur Zeit voneinander bedroht fühlen, und das ist dumm. Verzeihen Sie, wenn ich als Außenstehende das sage, aber vielleicht kann ich es gerade als Außenstehende besser erkennen. Sie stehen sich zu nahe. Lyn ist sehr unsicher. Schließlich haben Sie alle Trümpfe in der Hand – es ist Ihr Haus, Ihre Familie, es sind Ihre Kinder, und Sie fangen an, als Schriftstellerin Karriere zu machen. Das ist sehr viel.« Sie griff nach der Flasche Scotch und schenkte sich nach. »Ihnen gebe ich keinen mehr, eingedenk Neds Schluckauf. Und falls er sich in der Kirche übergibt, wird es wohl mich als Patin treffen.« Sie lachte laut auf, ein tiefes Wiehern. »Sehen Sie es mal so, Kindchen: Zuviel Stress und zuwenig Spaß, da wird jeder trübsinnig. Vielleicht sollten Sie und Lyn einen Tag lang Luke alles überlassen und zu zweit einen Ausflug machen. Das würde Ihnen beiden guttun.«
Joss lächelte matt. »Meinen Sie? Ich weiß nicht.« Sie seufzte. »Vermutlich haben Sie recht.«
Als Alice und Joe ankamen, warf sich Joss in die Arme ihrer Mutter. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht! All diese Untersuchungen! Aber Lyn hat mir meistens erst hinterher gesagt, was passiert ist.«
Alice hielt sie von sich und betrachtete ihr Gesicht. »Ich brauche doch nicht jeden Tag von dir zu hören, um zu wissen, daß du dich um mich sorgst, du dummes Kind.« Sie zog Joss wieder an sich und schloß sie fest in die Arme. »Du bist ein großartiges Mädchen. Noch ein wunderbarer Enkel ist die denkbar beste Medizin für mich! Und ein Tauffest ist die allerschönste Feier. Ich werde es mir hier gutgehen lassen und Spaß haben, Joss. Und ich möchte, daß du das gleiche tust.«
Das Mittagessen war ein voller Erfolg. Lyn hatte den Tisch im Eßzimmer gedeckt, und auf der Anrichte standen Platten mit Schinken und Aufschnitt, Salate, dunkles Brot, Käse und Obst sowie Weißwein aus den Restbeständen im Keller. Auch die Teetafel war bereits
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