Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
drängte sich neben sie ans Fenster und schloß es. »Komm, Joss! Ins Bett mit dir, damit dir wieder warm wird. Paß auf deine Füße auf, hier liegen überall Scherben.«
Er wickelte sie wieder in das Badetuch und legte ihr einen Arm um die Schultern.
»Wir müssen weg, Luke. Sofort. Ich muß die Kinder wegbringen. « Sie packte ihn am Hemd und zwang ihn, sie anzusehen. »Luke, du mußt das endlich verstehen. Die Kinder sind in Gefahr«, stieß sie hervor und zwängte sich an ihm vorbei ins Schlafzimmer; dabei trat sie auf eine Glasscherbe und schnitt sich in die Zehe. Hastig griff sie nach ihrem Morgenmantel und zog ihn an. »Ruf Lyn! Sag ihr, sie soll uns helfen. Wir bringen die Kinder zu Janet, und zwar sofort. Du lieber Himmel, schau mich nicht so an! Tu doch endlich etwas!« Sie fuhr mit dem blutenden Fuß in einen Hausschuh und strich sich die Haare aus dem Gesicht. »Schnell! Verstehst du denn nicht! Er ist so stark geworden, daß ich ihn sehen kann! Die Jungen sind in Gefahr.«
Sie rannte in den Flur, blieb vor Toms Zimmer stehen und spähte hinein. Der kleine Junge schlief, das Nachtlicht brannte gleichmäßig auf dem Tisch beim Fenster. »Laß ihn schlafen, Joss.« Luke trat zu ihr und lugte durch den Türspalt, dann legte er seine Hände auf ihre Schultern. »Komm, Liebes, du bist total erschöpft. Laß es gut sein. Komm ins Bett, ich bringe dir das Abendessen dorthin.«
Der Schatten war wieder da – am Fenster, wo er immer stand. Ihr Mund wurde trocken; sie starrte auf die Stelle und wagte nicht, den Blick abzuwenden. Er bewegte sich. Er ging auf das Kinderbett zu. Jetzt konnte sie die Gestalt deutlich erkennen – es war ein Mann, ein großer, breitschultriger Mann, dessen Figur durch eine Art Brustharnisch, den er unter dem wehenden Umhang trug, grotesk vergrößert wurde.
»Der Blechmann!« Sie merkte nicht, daß sie es laut aussprach; dann wandte sie sich um und ergriff Lukes Arm. »Sieh doch! Glaubst du mir jetzt? Schau doch, um Gottes willen! Hol ihn. Hol Tom, bevor es zu spät ist!«
Luke legte seine Hände auf ihre Arme. »Joss…«
Der Schatten war jetzt näher, fast am Kinderbett. Er beugte sich darüber – hob die Arme …
Mit einem wilden Schrei stürzte Joss ins Zimmer. Sie fühlte es – sie fühlte ihn zwischen sich und Tom. Panisch vor Entsetzen griff sie in das Bett und packte den kleinen Jungen am Arm, zog ihn heraus und drosch gleichzeitig auf die hinter ihr stehende Gestalt ein. »Geh weg! Laß uns in Ruhe! Luke !«
Irgendwo über Toms Schreie hinweg hörte sie Lukes Stimme, aber sie konnte ihn nicht erreichen. Die Gestalt stand zwischen ihr und der Tür. In ihren Armen begann Tom gellend zu schreien. Und auf der anderen Seite des Flurs konnte sie auch Ned brüllen hören.
Sie preßte Tom an sich und versuchte, zur Tür zu rennen. Aber etwas hielt sie zurück. Etwas versuchte, ihr Tom zu entreißen.
»Joss!« Durch all die Schreie hindurch vernahm sie Lyns Stimme. »Joss, gib ihn mir!«
Lyn war irgendwo nah bei ihr. Und sie versuchte zu helfen.
Entsetzt blickte Joss um sich und kämpfte sich ihren Weg durch die blauen Falten des wehenden Umhangs, doch dann spürte sie eine eiserne Faust auf ihrem Arm. Während sie mit aller Kraft das Kind festhielt, schlugen sich die Finger wie Krallen in ihr Fleisch.
Sie verlor ihn; sie merkte, wie ihr Griff nachließ. Die Kraft des Mannes war zuviel für sie. »Luke!« Ihr panisches Schluchzen ging in Toms Schreien unter, als er ihren Armen entrissen wurde, und dann war plötzlich alles vorüber. Die Gestalt war verschwunden.
Schluchzend brach Joss zusammen. »Tom…«
»Ich hab ihn, Joss.« Lyns Stimme klang gepreßt vor Angst.
»Bring Tom nach unten, Lyn, und fahr los. Jetzt sofort.« Luke stand über Joss und half ihr auf die Beine. »Was zum Teufel sollte das jetzt? Du hättest den Kleinen ja fast umgebracht! Ich habe gesehen, wie du es getan hast! Ich habe dich gesehen ! Was in aller Welt ist bloß mit dir los, Joss! Du gehörst in die Klinik. Du bist nicht in der Lage, dich um die Kinder zu kümmern.« Seine Stimme bebte. »Lyn hat recht. Ich hätte schon vor Wochen auf sie hören sollen. Tut mir leid, Liebling. Aber ich gehe kein weiteres Risiko ein. Die Kinder nehme ab jetzt ich. Verstehst du? Hörst du mir zu, Joss?« Er ergriff sie an den Armen und drehte sie herum, damit sie ihn ansehen mußte. »Es tut mir wirklich leid, Liebling. Ich weiß, du bist nicht du selbst. Aber ich kann nicht riskieren, daß das noch einmal
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