Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
denn, sie war wirklich eine Hexe.
Damit hatte er Probleme; große Probleme sogar. Hexerei gab es nicht wirklich. Oder doch? Dachten Feministinnen nicht immer, Beschuldigungen wegen Hexerei kämen aus der frauenfeindlich-politischen Macho-Männer-Ecke? Hexerei gab es entweder gar nicht oder nur als Erfindung von diesen Frauenhassern – die in Wirklichkeit Angst vor Frauen hatten –, oder sie war ein harmloses und sogar wohltätiges Relikt vorchristlichen Heidentums aus einem Goldenen Zeitalter, das nie existiert hatte, das aber einer christlichen Männer-Macho-etc.-Hierarchie ablehnend gegenüberstand.
Und wenn weder das eine noch das andere stimmte? Wenn Hexerei, so wie Margaret de Vere sie praktiziert haben könnte, real, wirksam und so schlimm und böse war, wie der Volksmund es glauben machen wollte?
Er blickte in die wärmenden Flammen im Kamin und wünschte, Joss wäre hier. Diese Fragen hätte er zu gerne mit ihr ausdiskutiert. Wenn sie ihn mit ihren bissigen Kommentaren nicht bei der Stange hielt, versank er tiefer und tiefer in einem Sumpf. Konnte Margaret König Edward IV. getötet und/oder verflucht haben? Und konnte ein solcher Fluch noch nach fünfhundert Jahren wirksam sein und das Haus, in dem er gesprochen worden war, heimsuchen? Der Gedanke, der David verfolgte – er war ihm in einer schlaflosen Nacht in seiner Londoner Wohnung gekommen, als er über das Problem nachgrübelte –, war einfach: Hatte Margaret de Vere das Kind, das der König
ihrer Tochter gemacht hatte, umgebracht? Und war der Fluch womöglich außer Kontrolle geraten und bedrohte seither jedes männliche Wesen, das in diesem Haus geboren wurde?
Ihn schauderte. Das waren nicht gerade hilfreiche Gedanken, wenn er die Nacht allein hier verbringen wollte. Ganz im Gegenteil.
Er stand auf, ging zum Feuer und legte geistesabwesend ein Scheit nach. Ohne die anderen war es sehr still hier. Er starrte in die Flammen und beobachtete, wie sie gierig über das Holz züngelten. Still und irgendwie brütend. Er zwang sich, mit seinen Spekulationen auf dem Teppich zu bleiben. Er glaubte nicht an Geister, und auch nicht an die Macht des Okkulten. Es war eine verlockende Theorie, aber eine, die sich ausschließlich auf den Aberglauben und die Leichtgläubigkeit der Menschen stützte. Ja, im fünfzehnten Jahrhundert hätte sie wohl gegriffen. Womöglich vielleicht auch noch im zwanzigsten, allerdings nur in Verbindung mit Gerüchten, Furcht und Unwissenheit; ohne diese »Zutaten« fehlte ihr jegliche Überzeugungskraft. Er drehte sich um und massierte sich in der Wärme den Rücken. Aber Joss glaubte daran. Und sie war weder unwissend noch leichtgläubig, und, soweit er sich erinnern konnte, auch nicht abergläubisch. Er runzelte die Stirn. Aber sie war eine Frau mit zwei kleinen Kindern, und als solche äußerst angreifbar.
Das schlurfende Geräusch im Gang war kaum wahrnehmbar; es war über dem Knistern und Zischen des Feuers nur schwer zu hören. Er erstarrte und lauschte angestrengt; bisher waren ihm die Ausmaße seiner Nervosität gar nicht bewußt gewesen. Er fühlte, wie seine Handflächen zu schwitzen begannen. Die Katzen konnten es nicht sein. Es war Einbildung – oder schlimmstenfalls Mäuse.
Vorsichtig schlich er zur Tür, horchte angespannt und fluchte innerlich über das Holzscheit, das er nachgelegt hatte, weil es so laut knisterte. Die Hand auf dem Griff und ein Ohr an die Tür gelegt, blieb er stehen. Nichts. Es war nichts zu hören. Nach ein paar Minuten öffnete er schließlich die Tür.
Der Gang lag in tiefer Dunkelheit. Hatte er vergessen, das Licht einzuschalten? Natürlich, als er ins Arbeitszimmer gegangen war, war es noch nicht dunkel gewesen. Die frühe Novemberdämmerung
war rasch über den Garten hereingebrochen. Er öffnete die Tür so weit wie möglich, damit das Licht aus dem Arbeitszimmer den Gang erhellte, und trat einen Schritt nach vorn, die Hand zum Lichtschalter ausgestreckt.
Diesmal kam das Schlurfgeräusch von oben, vom breiten Treppenabsatz. Er mußte allen Mut zusammennehmen, um nicht ins Arbeitszimmer zurückzulaufen und die Tür hinter sich zuzuschlagen. Statt dessen machte er einen weiteren Schritt vorwärts, schaltete das Ganglicht ein und blickte nach oben. Stille. Mit dem Rücken zur Wand stand er da und horchte. Er konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, daß dort oben jemand auf den Stufen saß, im Dunkeln und gerade eben außer Sichtweite.
»Wer ist da?« Seine Stimme war erschreckend
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