Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
Aufschrift »Rindfleisch-Nieren-Pastete«. Er hatte keine Ahnung, wie man so etwas zubereitete; aber vielleicht genügte es ja, das Ganze, so wie es war, einfach eine Weile in die Röhre zu stecken. Er legte das Päckchen mitsamt der Folie in eine Backform und stellte sie in den Ofen. Dann holte er sich Lukes Whisky von der Anrichte und betrachtete noch einmal das Spielzeug. Es wirkte schäbig und verwaist – und sehr alt, wie es so allein auf dem Küchentisch stand. Heutzutage bestand Spielzeug aus Plastik oder Metall, hatte kräftige Farben und war ungefährlich. Dieses hingegen sah hochgiftig aus; die Farbe blätterte ab, wenn man es nur berührte. Geister brauchten kein Spielzeug. Oder vielleicht doch, wenn sie kleine Jungen waren, eingesperrt in einem Haus, in dem sie niemals erwachsen würden? Er nahm einen kräftigen Schluck Scotch in der Hoffnung, daß Margaret de Vere, wenn sie tatsächlich eine Hexe gewesen war, schon lange in der Hölle schmorte.
Eines der Bücher, die er für Joss mitgebracht hatte, beschäftigte sich mit der Geschichte der Magie im Mittelalter. Er hatte es auf ihrem Schreibtisch im Arbeitszimmer liegenlassen. Er stellte das Glas ab und holte es, zusammen mit einem Stoß weiterer Bücher, denn in der Küche war es wärmer und behaglicher. Beim Warten auf sein Essen – wenn es denn je genießbar aus dem Ofen
käme – würde er sich die Zeit mit Lesen vertreiben. Er schenkte sich noch einen Drink ein, verdünnte ihn mit Wasser und schlug das Buch über Magie auf.
Zweimal sah er auf und horchte. Es war eigenartig, wie angenehm die Stille in diesem Zimmer des Hauses wirkte, gar nicht bedrohlich. Hier fühlte er sich sicher, zufrieden sogar, und allmählich erfüllte der köstliche Duft der Pastete den ganzen Raum.
Die Herbeiführung des Todes von Menschen mit Hilfe von Magie war im Mittelalter keineswegs eine ungewöhnliche Anklage. Jeder plötzliche Tod erregte sofort Argwohn. Worauf sonst hätte man angesichts des damaligen Mangels an medizinischen Kenntnissen zurückgreifen können? Mit einem Seufzen blätterte er das Buch durch. Er hatte doch sicher recht damit, die Magie als Unsinn abzutun, oder? Sein Blick wanderte zu dem kleinen Auto auf dem Tisch. Und wenn Margaret de Vere nun wirklich eine übersinnliche Macht besessen hatte? Hatte sie bewirkt, daß der König sich in ihre Tochter verliebte? Und hatte sie, nachdem ihre Intrige tragisch gescheitert war, das Ende des Königs und seines unehelichen Kindes herbeigeführt? War das möglich? Wenn ja, woher hatte sie das erforderliche Wissen? Noch einmal nahm er das kleine Holzauto zur Hand und drehte es hin und her, als könnte es ihm eine Inspiration geben. Die Legenden vom Teufel in Belheddon gingen zurück bis in die graue Vorzeit. Sie schienen sogar noch älter zu sein als das Christentum. Auch Margaret mußte sie gekannt haben. Hatte ihr das ihre Macht verliehen?
Er erschauderte unwillkürlich. Dann stellte er das Auto auf den Tisch, holte sein Abendessen aus der Backröhre und betrachtete es eingehend. Unter der Folie fand er einen unförmigen, hartgefrorenen Klumpen in einer köstlich riechenden, verlockend aussehenden Sauce mit Fleischstücken. Der Teig hatte sich mehr oder minder in seine Bestandteile aufgelöst. Mit einem Achselzucken schob er das Ganze noch einmal in den Backofen zurück. Es würde bestimmt gut schmecken, egal wie es aussah.
Hatte sie den Teufel heraufbeschworen? Hatte sie ihre Seele verkauft, um Macht zu erlangen? David wünschte, er hätte den
Geschichten und Legenden um Belheddon mehr Aufmerksamkeit gewidmet, anstatt dergleichen immer nur als unhaltbares Geschwätz abzutun. Allmählich stiegen Zweifel in ihm auf, ob es wirklich alles nur Unsinn war.
Einer plötzlichen Eingebung folgend, ging er zur Anrichte und holte das Telefonbuch hervor. Edgar Gowers Nummer war verzeichnet.
Der Geistliche hörte David aufmerksam zu. Er saß an seinem Schreibtisch, blickte auf die schwarze See hinaus und spielte mit einem Bleistift. Ab und zu runzelte er die Stirn und machte sich Notizen. Nach einer Weile sagte er: »Mr. Tregarron, ich glaube, wir beide sollten uns treffen.« Er drehte sich ein wenig zur Seite, so daß sich die Spiegelungen im Fenster veränderten, und beobachtete die fernen Lichter eines Fischkutters, der sich langsam die Küste hinaufbewegte. »Wann kommen Sie das nächste Mal nach East Anglia?« fragte er.
»Ich bin hier. Jetzt.« David ging mit dem Telefon in der Hand zum Tisch und setzte
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