Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
Dinge, die sie nicht haben wollte und bereitwillig zurückgelassen hat. Abgesehen von
einem Arbeitskorb und den Dingen in ihrem Schreibtisch ist nichts da, was wirklich von ihr stammt.«
»Was ist ein Arbeitskorb?«
»Nähsachen.«
»Ah so.« Er lachte laut auf. »Sie hat Nähen gehaßt. Nicht einmal einen Knopf hat sie angenäht. Das mußte immer ich machen. Es wundert mich, daß sie den Korb nicht in den Müll geworfen hat!«
»Ach.« Joss zuckte mit den Achseln und hob in unbewußter Nachahmung seiner französischen Geste die Hände. »Was hat sie denn gerne gemocht?«
»Bücher. Sie hat ständig gelesen. Gedichte. Sie hat Kunst geliebt. Natürlich, so haben wir uns kennengelernt. Aber dann gab es auch Dinge, die sie haßte, seltsame Dinge. Sie hat Blumen gehaßt – vor allem Rosen…«
»Rosen?« Joss fuhr zusammen.
»Rosen.« Ihm fiel nicht auf, daß ihr Ton schriller geworden war. »Sie hat Rosen verabscheut. Sie sagte immer, die greniers – die Speicher – in Belheddon hätten nach Rosen gerochen. Ich konnte nie verstehen, warum sie das so verabscheut hat. Rosen sind so wunderschön, ihr Duft ist einfach…« Es war offenkundig, daß er nach einem Wort suchte, und als er es fand, küßte er sich auf die Fingerspitzen. »… incroyable .«
Joss warf einen Blick zu Luke. »Das kann ich verstehen. Die Rosen in Belheddon sind nicht wie andere Rosen«, erklärte sie traurig. »Arme Mutter.«
Die Männer ließen sie mit einem Koffer voller Briefe und Bücher und einem Lederkästchen mit weiteren Schmuckstücken von Laura zurück. Die beiden wollten über die Felder zum Fluß hinuntergehen. Joss machte es sich auf dem Teppich vor dem Kamin bequem, wo ein süß duftendes Feuer mit Apfelholzscheiten brannte, schlang die Arme um die angezogenen Beine, stützte das Kinn auf die Knie und starrte lange Zeit in die Flammen. Hier fühlte sie sich ihrer Mutter näher als jemals in Belheddon. Es war ein schönes Gefühl, warm, beschützend, sicher.
Fast widerstrebend griff sie schließlich in den Koffer und begann, die Papiere durchzusehen. Da waren unendlich viele
Briefe, praktisch alle von Leuten, die sie nicht kannte; diese Schreiben interessierten sie wenig, wenngleich sie alle bewiesen, wie beliebt ihre Mutter gewesen war. Und in mehreren stand, daß ihre Freunde in England sie vermißten. Doch kein einziger Brief stammte aus dem Dorf Belheddon; sofort erinnerte sich Joss, wie Mary Sutton bedauert hatte, daß Laura nie geschrieben hatte. Niemand erwähnte das Leben, das sie in East Anglia zurückgelassen hatte.
Ganz unten entdeckte sie zwei Notizbücher, die sie erkannte; es war die gleiche Art, die Laura in England für ihre Tagebücher und Gedichtsammlungen verwendet hatte. Sie enthielten ähnliche Aufzeichnungen: Gedichte, interessante Zitate und Tagebucheinträge. Joss machte es sich noch bequemer, lehnte sich gegen einen Sessel, schob sich ein Kissen hinter den Kopf und fing zu lesen an:
Letzte Nacht habe ich von den alten Zeiten geträumt. Ich wachte auf, überall kalter Schweiß. Zitternd lag ich im Bett und betete, daß ich ihn nicht aufgeweckt hatte. Dann wieder wünschte ich, er wäre doch wach. Ich schmiegte mich trostsuchend an ihn, aber er rührte sich nicht. Der Gute, er braucht seinen Schlaf. Nicht einmal ein Erdbeben könnte ihn aufwecken.
Und zwei Tage später:
Der Traum ist wiedergekommen. Er sucht nach mir. Ich sah, wie er das Haus durchsuchte, langsam, traurig. Er ist verloren und einsam. Lieber, guter Gott, werde ich nie frei davon sein? Ich dachte daran, mit Monsieur le curé darüber zu reden, aber ich will Seinen Namen hier nicht laut aussprechen. Dieser Ort ist zu wunderbar, und sicherlich kann er mich hier nicht erreichen. Nicht in Frankreich!
Joss blickte kurz auf. Also hatte Er – es – einen Namen. Sie las weiter. Am Anfang des zweiten Buches stand etwas Aufschlußreiches.
Ich frage mich, ob ich John Cornish schreiben und ihn bitten soll, das Testament zu zerreißen und das Haus sofort der Wohlfahrt zu schenken. Wie sollte irgend jemand in Belheddon davon erfahren? Hier kann er mich nur in meinen Träumen erreichen, und ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß Jocelyn von ihrem Glück erfährt und unwissend in die Falle geht. Für sie besteht natürlich keine Gefahr, er wird sie lieben. Aber sollte sie jemals Kinder haben – was dann? Wenn ich nur mit Paul darüber reden könnte, aber ich will unsere Beziehung nicht gefährden, nicht einmal durch die Erwähnung des
Weitere Kostenlose Bücher