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Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman

Titel: Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Erskine , Ursula Wulfekamp
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flatternden Flügeln rannte es über die Seerosenblätter, bis es sich in die Luft erhob und hinter der Hecke außer Sichtweite verschwand. »In Frankreich habe ich auch herausgefunden, daß eine Katherine – eine Frau, die außer von meiner Mutter von niemandem gesehen wurde – sie an ihrem Sterbebett besucht hat. Sie hat meiner Mutter
weiße Rosen mitgebracht. Paul sagt, eine Katherine wäre die Geliebte des Mannes gewesen, der hier in Belheddon der Liebhaber meiner Mutter war, und sie wäre so wütend und eifersüchtig gewesen, daß sie meine Mutter über das Wasser verfolgte.« Ohne etwas wahrzunehmen, starrte sie auf die Kreise, die ein auf der Wasseroberfläche treibendes Blatt verursachte. »Ich versuche, mir einen Reim darauf zu machen, aber es ergibt keinen Sinn. Müssen wir davon ausgehen, daß König Edward von England, ein Mann, der seit fünfhundert Jahren tot ist, der Liebhaber meiner Mutter war?« Joss sah auf und begegnete Natalies Blick. »Davon gehen wir doch aus, oder? Aber das kann nicht sein. Das geht doch gar nicht.«
    »Sie waren beide einsam, Joss. Ihr Vater war gestorben. Und er, Edward, hatte seine Katherine verloren.«
    »Aber er war tot!« stieß Joss entsetzt hervor.
    »Er ist ein an die Erde gebundener Geist, der noch immer irdische Gefühle hat«, erklärte Natalie sanft. »Er empfindet nach wie vor Wut und Angst und Bitterkeit – ich vermute, das sind die Gefühle, die ihn hier halten –, aber vielleicht empfindet er auch Einsamkeit und sogar Liebe. Wir verstehen diese Dinge nicht, Joss, und deswegen müssen wir uns auf unsere Intuition verlassen. Etwas anderes haben wir nicht.«
    Joss sah wieder ins Wasser. Aus dem Nichts war eine Erinnerung aufgetaucht; der Keller, ein Gesicht, zwei Arme …
    »Joss? Joss, was ist los? Was stimmt denn nicht?« Natalies Arm lag um ihre Schulter. »Joss, Sie sind ja leichenblaß! Kommen Sie, hier draußen ist es kalt. Gehen wir hinein.«
    »Nein.« Joss schüttelte Natalies Arm ab. Sie versuchte zu denken, sich zu erinnern, ein ihr entgleitendes Bild zu greifen, eine Chimäre am Rand ihres Bewußtseins, aber schon war es verschwunden, und die Mauer war wieder da, undurchdringlich, und es blieb nichts als der saure Nachgeschmack blinder Panik.
    Natalie beobachtete sie genau. Sie konnte die Angst und die Abscheu sehen, die Joss wie einen Mantel umhüllten, und plötzlich begriff sie. »Guter Gott«, flüsterte sie. »Er hat mit Ihnen geschlafen! «
    »Nein!« Joss schüttelte wild den Kopf. »Nein, natürlich nicht. Wie könnte er denn? Das ist abstoßend. Das ist unmöglich!
Nein!« Sie wurde zusehends erregter, lief ein paar Schritte das Ufer entlang und blieb dann abrupt stehen. Unter der dicken Schicht ihrer Jacke, des Pullovers und der Bluse war ihre Haut eiskalt; Ekel und Widerwillen stiegen in ihr auf. Dann zuckte eine weitere Erinnerung an ihr vorüber. Augen, blaue, warme Augen, nah an ihrem Gesicht, und ein Wirbel weichen, dunklen Samtes, dann waren sie wieder verschwunden, und sie stand mit Natalie am See unter den tiefhängenden Novemberwolken.
    Es folgte eine weitere lange Pause, bis Natalie schließlich fragte: »Ist alles in Ordnung?« Sie war ihr gefolgt und betrachtete sie voller Mitgefühl.
    Joss lächelte schwach. »Gehen wir wieder hinein.«
    »Gut. Wenn Sie wollen.« Natalie zögerte. »Ich könnte versuchen, allein mit ihm zu reden, aber …« Nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: »Es wäre besser, wenn Sie dabei wären. Wissen Sie, Sie gehören zum Haus. Sie sind Teil des Ganzen.«
    Joss nickte. Langsam ging sie über den Rasen zurück und betrachtete das Haus vor sich. Es sah ungewohnt leer aus; die Fenster des Arbeitszimmers waren mit Läden verschlossen, die Schlafzimmervorhänge halb zugezogen, die Scheiben unter dem düsteren Himmel tot und ohne Spiegelung. »David Tregarron kommt heute nachmittag«, sagte sie schließlich. »Er ist ein Freund von uns, und Neds Pate. Er war mit Edgar Gower hier, als er seinen Herzschlag hatte. Er beschäftigt sich mit der Geschichte des Hauses. Und er hat auch die Sache mit Margaret de Vere herausgefunden.«
    »Kann er sehen?«
    »Soweit ich weiß, nicht«, erwiderte Joss. »Er liebt nur die Geschichte und die Romantik und all das. Und natürlich das Rätselhafte. «
    »Natürlich.« In Natalies Bemerkung klang leiser Spott mit.
    »Ich habe ihn gebeten zu kommen, damit er mir erzählt, was an dem Abend mit Edgar wirklich passiert ist, und auch, weil er das alles glaubt. Ganz im Gegensatz

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