Der Fluch Von Belheddon Hall: Roman
die Regale unten ziemlich leergeräumt worden sind, könnte ein kleiner Nachschub nicht schaden – übrigens, wann ist eigentlich die Auktion? «), Bücher für Joss, eine hübsche Porzellanvase für Lyn und einen riesigen schwarzen Teddybären mit einem gehäkelten Spitzenpullover für Tom. David bestand darauf, Lyn beim Kochen des Mittagessens zu helfen, bewunderte das neueste Auto im Wagenschuppen, lernte Lukes Teilzeit-Gehilfen Jimbo kennen, einen zwanzigjährigen Mechanikerlehrling aus dem
Dorf, und ging Joss, wie sie spürte, soweit wie möglich aus dem Weg.
Sie war entschlossen, sich nicht anmerken zu lassen, wie verletzt sie war. Nach dem Essen lehnte sie es ab, mit den anderen spazierenzugehen, und warf sich statt dessen im Schlafzimmer erschöpft aufs Bett. Innerhalb von Sekunden war sie eingeschlafen.
In ihrem Traum schien sie sich selbst von oben beim Schlafen zu beobachten. Die Gestalt, die neben dem Bett stand, war jetzt deutlicher zu erkennen. Sie war großgewachsen und hatte breite Schultern – es war eindeutig ein Mann, oder vielmehr das, was vom Geist eines Mannes übriggeblieben war. Er trat näher, sah auf sie herab und beugte sich etwas vor, um eine Hand, so leicht und durchsichtig wie Marienfäden, unter der Decke auf ihre Schulter zu legen. Sanft, unmerklich wanderte die Hand nach unten zu der Rundung ihres Bauchs und liebkoste fast das Baby, das in der sicheren Dunkelheit ihres Schoßes lag. Es war unnatürlich kalt im Zimmer, die Atmosphäre wie aufgeladen. Joss stöhnte und bewegte sich im Schlaf, um die leichten Schmerzen im Rücken zu lindern. Die Gestalt rührte sich nicht. Dann beugte sie sich noch weiter vor. Die eisigen Finger streichelten sanft über ihre Haare, ihr Gesicht, zeichneten die Linie ihrer Wangenknochen nach. Mit einem Angstschrei wachte Joss auf und starrte auf den Baldachin. Sie schwitzte, und trotzdem war ihr eisig kalt. Zitternd zog sie die Decke fester um sich. Der Schatten war verschwunden.
Erst am frühen Abend hatte sie Gelegenheit, allein mit David zu sprechen. Luke war zu den Goodyears gegangen, und an diesem Tag war Lyn an der Reihe, Tom ins Bett zu bringen. David saß Joss mit einem Glas Whisky im Arbeitszimmer gegenüber, streckte seine Füße zum Feuer und betrachtete sie grinsend. »Na, wie geht’s denn mit dem Schreiben?«
»Gut. Es macht Spaß, ist aber viel Arbeit.«
Er nahm einen Schluck. »Letzte Woche habe ich Gerald Andrews zum Mittagessen getroffen. Ich weiß nicht, ob er dir davon erzählt hat, aber er muß sich an der Hüfte operieren lassen, der Arme. Er ist ziemlich bedrückt. Jetzt wird er uns bei unseren Nachforschungen doch nicht helfen können. Wir haben ziemlich viel von dir gesprochen.«
»Und?«
»Und …« Er brach abrupt ab, als ob er sich seine Worte anders überlegt hatte. »Joss, hast du je daran gedacht, Belheddon zu verkaufen ?«
»Nein.« Sie schoß die Antwort heraus, ohne einen Augenblick nachzudenken. Eine Zeitlang sagten beide nichts, aber schließlich fragte sie: »Warum?«
Unbehaglich stellte er sein Glas ab, stand auf und ging zur Glastür. Das Mondlicht schien auf den Rasen, und es war sehr hell draußen, aber kalt. Im Schatten der Hecke lag noch der Rauhreif der letzten Nacht.
»Wir haben gedacht, daß die Geschichten über das Haus dir vielleicht ein bißchen zu schaffen machen«, sagte er schließlich.
»Hast du das Luke gegenüber erwähnt?«
»Nein.«
»Dann tu’s bitte auch nicht. Ich bin überhaupt nicht bedrückt. Warum sollte ich auch bedrückt sein? Es liegt in der Natur der Geschichte, daß die meisten Mitspieler tot sind.«
Fast gegen seinen Willen verzog sich sein Gesicht zu einem Lächeln. »Das hätte ich selbst nicht besser sagen können.« Er drehte sich nicht um. Es entstand eine lange Pause. Schließlich erhob sie sich, stellte sich neben ihn und beschloß, das Thema zu wechseln.
»Gerald hat etwas gesagt, das mir nicht aus dem Kopf gehen will. Ihm ist aufgefallen, daß Belheddon praktisch immer an die weibliche Linie vererbt wurde. Das ist der Grund, warum alle Generationen unterschiedliche Nachnamen haben, obwohl sie verwandt sind. Matrilineare Erbfolge nannte er das. Ich habe das hinterher auf dem Stammbaum überprüft, den ich gemacht habe. Es stimmt. Kein Sohn ist jemals alt genug geworden, um Belheddon Hall zu erben. Kein einziger.«
Sie sah ihn beim Reden nicht an, sondern blickte auf einen fernen Punkt auf dem glitzernden Wasser des Sees, wo der Mond die schwarze Oberfläche
Weitere Kostenlose Bücher