Der Fluch
. aber du musst wissen, ich bin immer noch für dich da.«
Etwas in mir zieht sich zusammen. Es tut weh. Als sei ich tatsächlich auf Schutz angewiesen. Und bin ich das nicht auch? Nur – wovor muss David mich schützen? Und vor allem, vor wem?
Sobald er das Büro verlassen hat, greife ich nach dem Telefonhörer, um Mr Walden anzurufen. Ich lasse mir Zeit, die Nummer zu wählen, doch die Sekretärin nimmt bereits nach dem ersten Klingeln ab.
»Rose Gardner. Mr Walden hat mich zu erreichen versucht …«
»Miss Gardner.«
Der Art, wie sie meinen Namen ausspricht, entnehme ich, dass tatsächlich etwas nicht in Ordnung ist.
Miss Gardner.
Diese Betonung auf Miss. Es klingt so, als wollte sie sagen: Nun, Miss Gardner, machen Sie sich auf etwas gefasst.
Wenn ich nur wüsste, worum es geht. Wenn ich mich auf das Gespräch vorbereiten könnte. Ist mir irgendein Fehler unterlaufen? Panisch durchforste ich mein Gedächtnis, aber mir fällt nichts ein. Gut, ich habe mich gestern Abend nach dem Clubbesuch in meinem Zimmer verkrochen und darauf verzichtet, die Runde durch die Apartments der Neuen zu machen. Aber das wäre sowieso eine freiwillige Aktion gewesen.
Und sonst? Ich habe alles immer dreimal überprüft und hatte nicht den Eindruck, dass irgendeine von meinen Studentinnen als Erstes zum Dean rennen würde, um sich über mich zu beschweren. Also, was ist das Problem?
»Miss Gardner?«
Ich schrecke zusammen, als ich die Stimme des Dean höre.
»Ja.«
»Das Amt als Studienbetreuer ist eine Auszeichnung. Ich dachte, gerade Sie wüssten das.«
»Das weiß ich auch und …«
Er fällt mir ins Wort. Lässt mich nicht ausreden. Und in seiner Stimme liegt nicht Unzufriedenheit, sondern eine leise Wut.
»Sie haben eine wichtige Aufgabe übernommen und sind verantwortlich für einen reibungslosen Ablauf.«
»Ja, natürlich, aber ich verstehe nicht …«
»Ich habe Ihnen vertraut. Ich war mir sicher, dass ich mich auf Sie verlassen könnte.«
»Das können Sie.«
»Dann frage ich mich, wie Ihnen diese Fehler unterlaufen konnten.«
Was ich befürchtet habe, ist eingetroffen. Etwas ist schiefgegangen, nur habe ich noch immer keinen blassen Schimmer, was das sein könnte.
»Ich habe keine Ahnung …«
»Fehler ist noch milde ausgedrückt. Ich würde wohl eher von einem Chaos sprechen.«
In meinem Kopf überschlagen sich die Gedanken. Mir wird abwechselnd heiß und kalt. Ich hole tief Luft, bemühe mich, ruhig zu bleiben.
»Entschuldigen Sie, Mr Walden. Ich weiß nicht, was Sie meinen.«
Aber er hört mir immer noch nicht zu, sondern fährt in seiner Rede fort, und mit jedem Wort steigt seine Wut.
»Heute Morgen ging alles drunter und drüber. Die neuen Studenten standen hier im Büro Schlange. Waren völlig verzweifelt. Wollten wissen, wo ihre Vorlesungen stattfinden.«
»Aber, ich …«
»Es gehört zu Ihren Aufgaben, die Stundenpläne für Ihre Gruppe zu erstellen, richtig?«
»Ja, natürlich und …«
»Und eine Übersicht, in welchen Räumen welche Veranstaltung stattfindet. Richtig?«
»Genau das habe ich auch gemacht. Ich habe ihnen die Vorlesungsräume gezeigt und mit jeder Studentin einzeln ihren persönlichen Stundenplan besprochen.«
»Und wie erklären Sie es sich dann, dass keine Studentin aus Ihrer Gruppe … keine einzige, und wohlgemerkt betrifft es nur Sie, deswegen kann der Fehler nicht bei uns liegen … jedenfalls keine Ihrer Studentinnen hatte eine korrekte Übersicht über die Räume, in denen ihre Vorlesungen stattfinden. Dazu war mehr als die Hälfte der Kurszuordnungen fehlerhaft. Ich frage mich, wie so etwas passieren kann.«
Genau das frage ich mich auch. Ich bin mir sicher, dass ich alles mehrfach überprüft habe.
»Unter diesen Umständen weiß ich nicht, ob Sie so einer Aufgabe überhaupt gewachsen sind.«
»Mr Walden, ich …«
»Sparen Sie sich Ihre Entschuldigungen. So etwas darf am Grace einfach nicht passieren. Und das wissen Sie. Unsere Studenten gehören der Elite an und sie dürfen erwarten, dass sie ein Institut besuchen, wo alles, und ich wiederhole, alles, reibungslos verläuft.«
»Aber …«
Was geht hier vor? Ich bin völlig durcheinander. Ich bin normalerweise korrekt in solchen Dingen. Bin mir sicher, dass mir kein Fehler unterlaufen ist.
»Ich gebe Ihnen noch eine Chance«, höre ich den Dean sagen. »Korrigieren Sie die Stundenpläne und bringen Sie die Sache so schnell es geht in Ordnung.«
Dann legt er einfach auf.
Einige Minuten sitze ich da,
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