Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fluch

Der Fluch

Titel: Der Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
Vom Netzwerk:
sich vor. »Alles, was du über mich wissen musst, findest du auf dieser CD«, sagt er eindringlich. »Hör sie dir an und du verstehst alles. Ich habe das für dich komponiert. Begreifst du, diese Musik, das ist meine Nachricht an dich. Es ist wie eine Botschaft. Natürlich begreifst du. Sonst wärst du ja nicht Rose.«
    »Ich höre sie mir an, George«, verspreche ich und versuche, meine Stimme ganz flach zu halten. Er darf nicht merken, welche Angst ich vor ihm habe. »Lässt du mich jetzt gehen?«
    »Wohin?«
    »Ich muss nachdenken, George. Ich muss über all das nachdenken, was du gesagt hast.«
    Er kneift die Augen zusammen und nickt dann langsam. »Nachdenken. Das ist gut. Das ist sehr gut.« Er lächelt. »Und hör dir die Musik an.«
    »Ja, George, ich verspreche es.«
    Er nickt.
    Ich gehe ganz langsam los, ich setze jeden Schritt sorgfältig vor den anderen und die ganze Zeit bin ich überzeugt davon, dass er genau hinter mir ist. Ich weiß, dass es ein Fehler wäre, mich umzudrehen. Und trotzdem tue ich es, ich kann gar nicht anders.
    George steht immer noch zwischen den Bäumen. Nur eine Silhouette im Licht der Dämmerung, aber ich spüre, sein Blick lässt mich nicht los.
    Er wartet.
    Auf mich.

18. Rose
    Ich beginne zu rennen.
    Jeder Schritt, den ich über den feuchten, morastigen Waldboden mache, ist ein Schritt ins Unbekannte. Wolken verdecken jedes Licht. Obwohl die Dämmerung noch nicht vollständig den Himmel überzieht, begreife ich: Ich laufe in die Dunkelheit. In eine Nacht ohne Mond. Ohne Sterne. Und in dieser Finsternis wäre ich fast über den Zaun gestolpert. Zwischen zwei Bäumen sind Seile gespannt und man hört ein Blechschild leise im Wind klappern. Ich muss ganz nahe herangehen, um die Schrift lesen zu können:
    Warnung Electric Fencer
    Vorsicht Elektrozaun
    Ich erinnere mich, dass die Hütte im Sperrgebiet liegt, aber ich frage mich, was diese Elektrozäune, auf die man hier mitten in der Wildnis stößt, eigentlich fernhalten sollen. Wozu diese elektrische Barriere? Hier gibt es nichts, vor dem man uns schützen muss … oder ist es umgekehrt? Wir sollen diese Grenze nicht überschreiten, weil man etwas vor uns schützen will?
    In jedem Fall kann ich erkennen, dass der Pfad auf der anderen Seite weitergeht. Das sind unverkennbar Fußstapfen in dem aufgeweichten Boden, und so wie es aussieht, ist nicht nur eine Person hier entlanggegangen.
    Komischerweise denke ich keine Sekunde lang an Umkehren. Die gruselige Begegnung mit George hat mich noch mehr davon überzeugt, dass ich Muriel treffen muss, um zu erfahren, was hier läuft, selbst wenn sie diejenige ist, die Katz und Maus mit mir spielt.
    Ich renne der Wahrheit hinterher und gleichzeitig meiner Vergangenheit und der Zukunft. Ich muss lernen, sie zu verbinden, darf nicht zulassen, dass ich auseinanderdrifte.
    George, Muriel – welche Verbindung haben sie zu mir?
    Du brauchst Schutz, so hatte es George formuliert.
    Und auch Sam Ivy, das fällt mir plötzlich ein. Er hat fast genau das Gleiche zu mir in der Bar gesagt.
    Ich lausche in die Dämmerung und kann das Knacken des elektrischen Stroms hören, der durch den Zaun fließt. Es gibt nur zwei Möglichkeiten: unten durch oder oben drüber. Allerdings heißt Nummer eins – ich muss durch Schlamm und Morast kriechen.
    Ich wähle die zweite Option.
    Ehe ich es mir anders überlegen kann, gehe ich einige Schritte zurück und nehme Anlauf. Die Drähte sind nicht höher als einen Meter. Das müsste zu schaffen sein. Ich zähle bis drei und renne los. Ich bin schon sicher, es geschafft zu haben, als mein linker Schuh das oberste Drahtseil streift. Ein Stromstoß trifft mich, ich gerate aus dem Gleichgewicht und falle zum zweiten Mal an diesem Abend in das nasse Gras. Wasser ist ein guter Stromleiter, schießt mir durch den Kopf. Ein weiterer Schlag trifft mich. Arme und Beine zucken, und auch als der Stromschlag abebbt, spüre ich noch, wie mein Körper bebt. Ein Gefühl, als ob mein Innerstes erst zusammenzuckt, um sich dann vollständig zu verkrampfen.
    Eine Weile bleibe ich liegen und rühre mich nicht. Mein Atem geht laut und stoßweise, als ob ich nur so die fremde Energie in meinem Körper loswerden kann. Erst als ich spüre, wie Nässe und Kälte meinen Körper endgültig durchdringen, rappele ich mich auf und sehe mich um.
    Wenigstens das. Ich bin auf der anderen Seite und nichts ist geschehen, außer dass meine Kleider endgültig und für immer ruiniert sind. Und das beflügelt

Weitere Kostenlose Bücher