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Der Fluch

Der Fluch

Titel: Der Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Krystyna Kuhn
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umspielt seine Lippen.
    George ist aus Boston.
    Er wohnt in derselben Straße wie J. F.
    Er kennt mich, aber ich habe keine Ahnung, wer er ist.
    Seine Hände umfassen noch immer meine Schultern. Ich fühle mich eingeengt. Versuche, mich zu befreien. Als ich ihm den Arm entziehen will, hält er ihn einfach fest. Seine blauen Augen starren direkt in meine.
    »George … was willst du von mir?«
    »Aber das habe ich dir bereits gesagt. Dich beschützen.«
    »Mich? Warum?«
    »Weil du Schutz brauchst. Ich weiß es, seit ich dir wiederbegegnet bin. Das war Schicksal.«
    Wiederbegegnet? Wovon spricht er?
    »Es tut mir leid«, sagt er. »Ich wollte dich warnen, aber du hast mich nicht erkannt.«
    Erkannt? Ich habe ihn noch nie vorher getroffen.
    Jetzt fürchte ich mich wirklich. Mein Gefühl in der Bar hat mich nicht getrogen, etwas stimmt nicht mit diesem Typen.
    Er weicht ein Stück zurück. Ich erkenne, dass sein Anzug nicht länger aussieht wie frisch aus der Reinigung. Auch sein Hemd ist nicht mehr weiß. Es ist voller dunkler Flecken und auf dem nassen Anzugstoff klebt Erde, als wäre auch er gestürzt.
    »Ich habe dich damals gesehen«, sagt er. »Mit ihm.«
    »Wovon sprichst du?«
    »Von der Party. Ich war auch da.«
    Ich schließe kurz die Augen. Das Foto! Georges Anspielung auf den Bourbon.
    »Ich habe gesehen, wie du mit ihm in das Gartenhaus gegangen bist.«
    Ich versuche wieder, ihm meine Hand zu entziehen, aber sein Griff ist zu kräftig. Er lässt einfach nicht los. Und plötzlich kommt mir ein Gedanke: Was, wenn ich vielleicht gar nicht gestürzt bin? Was, wenn George mich überfallen hat?
    »George, lass mich los.«
    »Ich kann dir helfen.«
    »George … Ich brauche deine Hilfe nicht.«
    »Du solltest mir vertrauen!«
    Vertrauen?
    Seine Hand streift über mein Gesicht. Es ist keine zufällige Bewegung. Ich spüre es. Er fühlt sich von mir angezogen.
    Eine Lüge ist deine Schönheit.
    Ein Fluch dein Lächeln.
    Die Sanftheit deiner Stimme – einziger Betrug.
    »George …« Ich höre selbst, wie verzweifelt ich klinge.
    »Aber du brauchst doch den Schutz! Es hat mich so viel Mühe gekostet herauszufinden, wo du studierst. Ich bin dir hierher gefolgt. Ich werde auf dich aufpassen. Du hast keine Ahnung …«
    »George, lass mich …«
    Abrupt lässt er meine Hand los.
    Schweigen, das vom Himmel fällt wie der Regen. Ein Windstoß, der es von mir wegtreibt.
    »Ich bin nicht wie er. Ich tue nichts, was du nicht willst. Du solltest mir wirklich vertrauen.«
    Ich überlege, ob ich die Kraft habe loszurennen.
    Ich rappele mich auf, während er noch immer auf dem Boden kniet.
    Seiner Stimme fehlt jede Betonung, als er sagt: »Niemand ist hier oben derjenige, der er vorgibt zu sein. Rose … Kehr um.«
    Meine Nerven drohen, verrückt zu spielen. Und mein Kopf schmerzt vom Sturz.
    Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll.
    Will Muriel mich vor George warnen? Ist es das, was sie mir sagen will? Auch sie ist aus Boston. Was, wenn sie ihn von früher kennt?
    Als ob er meine Absicht ahnt, springt er auf und seine Hände packen meine Schultern. Ich versuche, mich zu befreien, aber er ist stärker als ich.
    »Du musst mir zuhören, Rose.«
    Aus Georges Stimme höre ich jetzt eine leise Drohung, die umso stärker wirkt, als mich ein heftiger Windstoß von hinten trifft und mich in seine Richtung treibt.
    »Sie verfolgen dich alle«, sagt er.
    »Wer?«
    »Ich habe einmal versagt, aber es wird nie wieder passieren. Ich habe es mir geschworen.« Er redet nur mit sich selbst. »Du bist so schön.«
    Plötzlich fällt es mir nicht schwer, mich loszureißen.
    »Was sollte diese Nachricht bedeuten?«, schreie ich.
    Jetzt sieht er verwirrt aus.
    »Welche Nachricht?«
    Heißt der Ausdruck von Unverständnis in seinen Augen, dass er die Wahrheit sagt? Ich weiß nicht mehr, was richtig ist, was falsch.
    »Welche Nachricht?«, wiederholt er.
    Er sieht mich an mit diesem Blick, der so leblos wirkt, so starr und im Widerspruch steht zu seinen Worten. Etwas stimmt nicht mit diesem Jungen, und zwar ganz gewaltig nicht. Und ich bin mit ihm allein in diesem unheimlichen Wald, mitten im Nirgendwo.
    »George, bitte lass mich gehen«, flüstere ich. »Wenn du … wenn du mich wirklich magst, dann lässt du mich jetzt gehen.«
    Er zögert. Fixiert mich noch immer.
    Und dann greift er mit einer abrupten Bewegung in seine Anzugtasche. Fast hätte ich laut aufgeschrien vor Schreck.
    Doch es ist nur eine Plastikhülle, die er herausholt.
    Er beugt

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