Der Fluch
meine Träume ein, ihre Liedzeilen vermischen sich mit der Botschaft, die ich nicht vergessen kann.
Schönheit.
Lächeln.
Sanftheit.
Betrug. Lüge. Fluch.
Ich schrecke schweißgebadet hoch. Zwischen die seltsamen Bilder und Szenen, die sich in meinem Unterbewusstsein abwechselten und im Traum ihre absurden Szenen abspulten, hat sich ein anderes Geräusch geschoben. Katy Perry ist plötzlich verschwunden.
Was ist das?
Ein lang anhaltender Ton, mit sekundenlangen Pausen dazwischen.
Dann bricht es ab.
Es fällt mir schwer, die Augen aufzuschlagen und in die Realität zurückzukehren. Sie besteht aus meinem Zimmer und dem grauen Viereck meines Fensters. Draußen ist es etwas heller geworden, wenn auch nicht sehr hell. Ich sehe dunkle Regenwolken. Der Himmel ist trüb.
Ich hebe den Kopf und blicke zur Uhr auf dem Schreibtisch hinüber: 04:40.
Ich habe tatsächlich geschlafen, wenn auch nicht lange. Und etwas hat mich geweckt.
Ich lausche angestrengt.
Dann fällt mein Kopf zurück ins Kopfkissen. Ich muss mich getäuscht haben. Die Müdigkeit hält mich gefangen. Es ist unmöglich, die Augen offen zu halten. Ich kann mich gegen den Schlaf nicht wehren.
Doch dann setzt das Geräusch erneut ein.
Erst leise, dann immer lauter. Als würde jemand einen Lautstärkeregler hochdrehen.
Ich wünsche mich zurück in den Traum, sofern man diese Bilderfetzen Traum nennen kann. Ich wünsche mir, dass dieses Geräusch nur ein weiterer Punkt auf der Liste der wirren Botschaften ist, die mein Gehirn an mich sendet. Doch in dem Moment, als ich über die Trennlinie zwischen Albtraum und Wachsein nachdenke, weiß ich mit Sicherheit, dass ich wach bin. Und was ich höre, ist real. Auch wenn es nicht in diese Umgebung passt.
Ich höre ein Baby weinen. Deutlich und klar, als befände es sich in diesem Zimmer.
Ich bleibe eine ganze Weile liegen, aber das Weinen verstummt nicht, und je länger es andauert, desto deutlicher erkenne ich, dass diese Wahrnehmung, so absurd sie auch ist, außerhalb meines Kopfes existiert.
Entschlossen schlage ich die Decke zurück. Ich darf mich nicht im Halbschlaf verlieren. An der Zimmerdecke schwankt die hässliche Lampe unmerklich hin und her, die aus der dunklen Holzverkleidung ragt wie ein Fremdkörper.
Das Weinen bricht ab.
Stille.
Es ist nichts zu hören.
Nicht einmal die üblichen Geräusche, die sonst den Campus von morgens bis abends lebendig halten.
Langsam stehe ich auf. Mein Herz schlägt bis zum Hals, und als meine Füße den kalten Fußboden berühren, spüre ich, wie dieses altbekannte Zittern meinen ganzen Körper erfasst. Ich wage kaum zu atmen.
Ist das Weinen aus dem Inneren des Apartments gekommen oder von draußen?
Dann hörte ich es wieder: ein jämmerliches, durchdringendes Schluchzen, das zunehmend lauter wird, je länger es anhält.
Kalter Schweiß läuft mir über den Rücken. Mein Herz scheint in der Brust zu gefrieren.
Hört es niemand außer mir?
Nein, denn es ist nur für mich bestimmt.
Und ich begreife, jemand erzählt mir meine Geschichte und wir sind fast am Ende angelangt. Ich werde in der Erinnerung zu dem Tag zurückgeworfen, als Sally starb. Es war das Letzte, was ich von ihr gehört habe. Dass sie weinte.
23. Rose
Boston, zwei Jahre zuvor
Mein erster Blick fiel auf die rote Mohnwiese an der weiß gestrichenen Wand gegenüber. Ich versuchte vergeblich, mich an den Namen des Künstlers zu erinnern. Dabei hatte ich dieses Bild schon so oft gesehen. Es war mir vertraut.
Mein Kopf war schwer und ich fühlte mich benommen. Mir fiel es schwer, einen klaren Gedanken zu fassen, konnte mich nicht konzentrieren.
Einer der Impressionisten, die ich schon immer gehasst hatte?
Manet?
Monet?
Egal.
Das Nächste, was ich bemerkte, war Mom. Sie saß neben meinem Bett und hielt meine Hand. Ihr Gesicht war weiß vor Erschöpfung und Sorge.
»Wie fühlst du dich?«
Ich beantwortete die Frage nicht. »Wie spät ist es?«
»Du hast vier Stunden geschlafen.«
Mein Herz begann, in einem Rhythmus zu schlagen, als ob es einen Wettlauf veranstaltete.
Bilder schossen mir durch den Kopf. Die Mall, wo ich mit Mom shoppen war. Wir hatten winzige Babysöckchen gekauft und eine rosa geringelte Mütze. Dann der unglaubliche Schmerz, der sich in mich bohrte, erst dumpf, dann schneidend wie ein Messer. Der Krankenwagen mit Blaulicht. Ein Gedanke: Es ist zu früh, viel zu früh.
Dann noch ein Bild.
Sally.
Ihr winziges Gesicht, so durchsichtig, so zart.
Mich erfasste eine
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