Der Flug der Adler
durch. Das wird unsere wahren Gründe verschleiern.«
»Jawohl, Sir.«
Munro erhob sich. »Meine Herren, ich erwarte von Ihnen, daß Sie beste Arbeit leisten. Es handelt sich hier unter Umständen um eine ernste Sache.«
Als Hartmann in den Speisesaal trat, um mit den beiden Brüdern zusammen zu Abend zu essen, war er im ersten Moment völlig baff. Einen kurzen Augenblick der Verwirrung lang glaubte er, daß es Harry war, der dort in amerikanischer Uniform am Kamin stand. Harry saß jedoch gleich neben ihm – die Krücken lagen auf dem Boden – und trug die Fliegerbluse der Luftwaffe mit dem Ritterkreuz, dem Eichenlaub und den Schwertern.
»Mein Gott«, sagte Hartmann. »Es ist einfach unglaublich.«
»So ist es aber«, sagte Max. »Kommt Müller nicht auch?«
»Nein, er ist nach Saint-Malo gerufen worden, und Schröder hat zu tun. Eine Wache hat sich ein Bein gebrochen.« Er wandte sich an die Ordonnanz, die wartend bereitstand. »Also, dann essen wir jetzt.«
»Genau, mit vollem Magen stirbt's sich besser.« Max setzte sich an den Tisch. Harry tat es ihm gleich, und Max sagte zu ihm: »Habe ich nicht doch vielleicht irgend etwas vergessen?«
»Mach dich jetzt nicht verrückt. Es gibt natürlich immer noch einige Leute, die du nicht erkennen wirst. General Sobel beispielsweise. Du mußt die Ruhe bewahren und sie auf dich zukommen lassen.«
»Ich werde mein Bestes tun.« Max warf einen Blick zum Fenster hinaus. »Hör dir nur diesen Re gen an. Wenn ich da an die armen Matrosen denke, die in einer solchen Nacht auf hoher See sind.«
»Da solltest du lieber an die Piloten denken.« Harry nahm ein Glas Wein. »Mir fällt nichts ein, auf das wir noch trinken könnten.«
»Wie wär's einfach mit: Gott hilf uns?« sagte Max.
Rosa schleppte sich mühsam durch den Wald fort. Sie war völlig durchnäßt und mit ihren Kräften am Ende. Es war inzwischen so dunkel geworden, daß sie ständig in Bäume hineinstolperte. Am Himmel krachten Blitze, die kurz alles hell aufleuchten ließen, und plötzlich war da ein Pfad und irgendeine Hütte. Sie taumelte darauf zu, stieß auf eine große Tür und öffnete sie. Es kam ihr hier sogar recht warm vor, und als es wieder blitzte, sah sie die großen Holzstapel und eine Reihe von Ställen, in denen sich jedoch keine Tiere befanden. Dann waren da noch einige Heuhaufen. Der Regen hämmerte aufs Dach und trieb durch ein paar Fenster hoch oben herein. Sie zog ihren klitschnassen Regenmantel aus und hängte ihn über eine Stallwand. Dann legte sie sich auf einen Heuhaufen und bedeckte sich mit Stroh. Der Geruch tat ihr gut. Sie schloß die Augen und schlief sofort ein.
Max verabschiedete sich um drei Uhr morgens von Harry und wurde dann von Hartmann im strömenden Regen zur Rollbahn hinausgefahren. Hartmann stellte den Kübelwagen in einer der Flugzeughallen unter. Der Storch stand draußen im Regen. Max, der sich einen Armeemantel über die Schulter geworfen hatte, zündete sich gerade eine Zigarette an, als ein SS-Oberfeldwebel, der die schwarze Uniform der Panzertruppe trug, sich näherte.
»Sie wissen, was Sie zu tun haben«, sagte Hartmann.
Der Oberfeldwebel wandte sich an einen seiner Männer und streckte die Hand aus. Der Mann reichte ihm eine Schmeisser. Der Oberfeldwebel trat in den Regen hinaus und feuerte eine Salve in den Rumpf des Storchs, gleich vor dem Heck, dann eine weitere Salve in die Tragfläche auf der Backbordseite. Er kehrte zurück.
»Hervorragend.« Hartmann wandte sich an Max. »Wir sind soweit, glaube ich.«
»Der Moment der Wahrheit.« Max reichte Hartmann die Hand. »Gib mir deine Walther, Bubi, und das Ersatzmagazin.« Hartmann runzelte die Stirn, aber Max sagte geduldig: »Ich habe sie von dem Wachposten, den ich überwältigt habe, und den zweiten habe ich auch noch damit erschossen.«
»Ich verstehe.« Hartmann nickte. »Natürlich.«
Er nahm die Walther und das zweite Lademagazin aus dem Halfter und gab Max alles. Dieser gab zwei Schüsse in die Luft ab. »Das sollte reichen.« Er verstaute Pistole und Magazin im Regenmantel.
»Na, dann mal los. Tut mir leid«, sagte Hartmann.
»Nicht dein Fehler, Bubi. Ich mach mich jetzt auf.«
Max ging zum Flugzeug, wo der Feldwebel bereits wartete, um ihm die Einstiegstür zu öffnen. Max warf den Regenmantel hinein, wandte sich noch einmal um, nickte Hartmann zu und kletterte dann hinein. Die Tür ging hinter ihm zu. Er startete den Motor.
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