Der Flug der Adler
Besatzung, nur der Überführungspilot, und du hast übernommen.«
»Ich muß in Übung bleiben.«
»Genau wie ich.« Galland mußte grinsen. »Hab noch etwas Geduld, Max. Nach Weihnachten, sagen wir im Januar, werde ich dich wieder in Jagdflugzeuge setzen, nachts oder tagsüber, du hast die freie Wahl.«
»So gefällst du mir schon besser.« Max stand sofort auf, als seine Mutter hereinkam.
Später rauchte er auf dem Balkon ihrer Suite eine Zigarette und schaute hinaus. Die Türen standen weit offen und die kühle Nachtluft drang herein.
»Keine RAF heute nacht«, sagte Elsa, als sie zu ihm hinauskam.
»Ich habe den Wetterbericht für England gesehen. Die Lancasters würden bei ihrer Rückkehr nicht landen können. Dichter Nebel.«
»Gott sei Dank. Tut gut, mal eine Nacht Ruhe zu haben. Es war in letzter Zeit schon ziemlich schlimm. Gehst du bald nach Frankreich zurück?«
»Gleich morgen.« Er zögerte. »Mutti, in letzter Zeit geht so manches Gerücht um, Andeutungen von Verschwörungen gegen den Führer seitens einiger Stabsoffiziere und so.«
»Ich würde mich freuen, wenn eine davon erfolgreich verlaufen würde.«
»Red keinen Unsinn, Mutti. Sei nur vorsichtig in der Wahl deiner Freunde, und bitte keine Auftritte mehr wie bei dieser jüdischen Protestversammlung. Das kann nicht gutgehen.«
»Ich bin Elsa von Halder, und ich tue, was mir paßt.«
»Was für eine Arroganz«, sagte er. Er war wütend geworden. »Ist dir denn nicht klar, wozu diese Schweine fähig sind? Sie würden dich ohne viel Federlesens erhängen lassen.«
»Du bist ja nicht bei Trost«, sagte sie, und doch wirkten ihre Augen plötzlich verändert.
»Wenn sie einen festnehmen, nehmen sie alle fest«, sagte Max. »Das bedeutet das Personal auf dem Gut, die gute alte Rosa und den Schwarzen Baron, Held der Luftwaffe. Wegen deiner Dummheit würden wir alle auf der gleichen Straße gen Hölle fahren.«
»Max, du übertreibst.«
Er machte kehrt, nahm sein Schiffchen und setzte es auf. »Ich werde heute nacht auf dem Stützpunkt schlafen. Ich muß morgen sehr früh los.« Er ging zur Tür.
»Max!« rief sie.
Er öffnete die Tür und ging hinaus.
Sarah Dixon fand das Leben in der Baker Street mit der SOE erheblich interessanter als im Heeresministerium. Zum einen lernte sie hier, auch wenn ihre Aufgaben verwaltungstechnischer Natur waren, die Leute persönlich kennen. Munro, zum Beispiel, Jack Carter und andere. Eines Tages kam West mit Harry Kelso hereinspaziert.
»Dieser Oberstleutnant da«, sagte sie in der Kantine zu einer Frau namens Madge Smith. »Ich habe ihn sprechen hören, und er hat irgendwie amerikanisch geklungen, aber auf dem Abzeichen seiner Uniform steht Finnland.«
»Ach, du meinst Kelso, Harry Kelso. Ein echtes Fliegeras. Er hat den italienischen Kreuzer versenkt, die Orsini, und du hast recht, der ist ein Ami.«
»Und warum ist er dann nicht bei der amerikanischen Air Force?«
»Keine Ahnung. Er ist Adjutant von Generalmajor West, soviel ich weiß, und er erledigt Kurierflüge für Munro.«
»Kurierflüge?«
»Sondereinsätze, die von Tangmere, Croydon oder von Cold Harbour unten in Cornwall aus geflogen werden.«
»Wie interessant«, sagte Sarah.
Noch interessanter waren die Ereignisse vom Dienstag nachmittag. »Sei so lieb und bring diese Akte zu Nelly in den Kopierraum. Fünf Kopien. Steht auf dem Zettel«, sagte Madge Smith.
Im Flur auf dem Weg nach unten warf Sarah rasch einen Blick in die Akte. Da war ein Begleitschreib en an irgendeine Abteilung im Heeresministerium, eine Karte von Cold Harbour, Einzelheiten über die dort stationierten Flugzeuge. Zwei Kategorien von Flügen – Lysander-Abwürfe über Frankreich und Flüge mit Lysanders von Londons Croydon-Stützpunkt aus, mit beiliegender Pilotenliste. Harry Kelso wurde erwähnt.
Sie konnte es einfach nicht fassen und ging in den Kopierraum, wo sie Nelly, eine grauhaarige Frau mittleren Alters, beim Stapeln von Papier antraf.
»Sehr eilig, Nelly. Fünf Kopien.«
»Gott, was für ein Morgen. Hab mir schon die Füße wund gelaufen und noch nicht mal Zeit gehabt, aufs Töpfchen zu gehen.«
»Na, dann geh doch jetzt. Ich mach inzwischen für dich weiter.«
»Du bist ein Schatz.«
Sie eilte hinaus, und Sarah kopierte die Seiten, eine nach der anderen, legte sie zusammen, faltete sie und steckte sie in die Innentasche ihrer Jacke. Dann fing sie mit den
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