Der Flug der Adler
lächelte. »Zumindest für euch zwei Gentlemen.«
Sie setzten sich ans Ende der Bar, und gerade als Jessy die Flasche zurückstellen wollte, platzten Green und drei andere Piloten herein. Green sah die Flasche, langte über die Theke hinweg und versuchte, sie sich zu schnappen.
»Kommen Sie schon, Jessy, oder wollen Sie die etwa wieder für Zivilisten aufheben?«
»Junger Mann!« rief West. »Zeigen Sie bitte ein bißchen Benimm. Sie sind schließlich Offizier und Gentleman.«
Green drehte sich um, und beim Anblick eines derartig hohen
Offiziers machte seine aufkommende Wut einer vollkommenen Verblüffung Platz. West stand auf, und im selben Moment kam ein Hauptmann herein.
»Ah, wenn Sie zum Hawk-Geschwader gehören, dann müßten Sie eigentlich Varley sein«, sagte West.
Varley scha ffte es gerade noch »Ja, Sir« zu stammeln.
»Ich bin Generalmajor West. Oberstleutnant Kelso hier hat das Hawk in der Luftschlacht um England befehligt.«
Die plötzliche Stille war atemberaubend. Alles wandte sich zu Harry um. »Mein Gott, Sir«, sagte Varley. »Sie sind eine Legende bei uns im Geschwader – eine Legende.«
»Dann wollen wir alle mal darauf trinken.« Harry wandte sich an Jessy. »Was immer Sie auftreiben können, meine Liebe, aber keinen Bourbon für Mr. Green.«
ENDSPIEL 1943-1944
8
Den Oktober über arbeitete Harry für West, reiste landauf, landab zu verschiedenen Geschwadern und versuchte ihre Gefechtsbereitschaft für das einzuschätzen, was – wie alle wußten – 1944 bevorstand: die Invasion des europäischen Festlandes. Es war eine eintönige, aber notwendige Arbeit. Wie es der Zufall wollte, erledigte Max eine ähnliche Aufgabe für Galland, hauptsächlich in Frankreich, obwohl er auch sehr viel in Berlin war. Wie Harry ging ihm das Ganze ziemlich auf den Wecker, aber Galland bat ihn eindringlich darum, sic h in Geduld zu fassen.
Elsa wiederum hatte die Geduld längst verloren. Anfang des Jahres hatte die Gestapo eine Welle von Verhaftungen von jüdischen Männern mit deutschen Ehefrauen durchgeführt. Es handelte sich hierbei durchweg um Männer, die kriegswichtige Tätigkeiten verrichteten. Nicht alle waren verhaftet worden, aber Ende Oktober marschierten Soldaten der SS und GestapoSchärgen in Labore, Büros und Maschinenbaubetriebe ein und nahmen Juden an Ort und Stelle fest. Alle, die in gemischter Ehe lebten, wurden im Verwaltungsgebäude der Jüdischen Gemeinde in der Rosenstraße festgehalten.
Was dann geschah, war ohne Beispiel. Über dreihundert deutsche Frauen protestierten gemeinsam vor dem GestapoHauptquartier in der Prinz- Albrecht-Straße, und ganz vorn in der ersten Reihe stand die Baronin Elsa von Halder gleich neben ihrem Dienstmädchen, Rosa Stein, deren Ehemann Heinrich auch verhaftet worden war. Himmler, der das Geschehen mit Bubi Hartmann vom Fenster aus beobachtete, war davon alles andere als angetan.
»Da führen sich also anständige deutsche Frauen in solcher Weise auf und werden auch noch von der Baronin einer unserer ältesten Familien unterstützt. Eine Schande ist das. Eine noch größere Schande allerdings, daß diese Frauen Juden geheiratet haben.«
Bub i Hartmann hatte absolut nichts gegen Juden. So war es
sogar sein dunkles Geheimnis, daß seine Urgroßmutter mütterlicherseits jüdisch gewesen war und sich »herausgeheiratet« hatte, wie man es nannte. Glücklicherweise war das alles so lange her, daß niemand davon wußte.
»Natürlich hat die Industrie gegen die Verhaftung solcher Männer Beschwerde eingelegt«, sagte Hartmann. »Alles hochqualifizierte Leute, ein Gewinn für das Reich. Soweit ich weiß, haben Sie noch vor ein paar Monaten ihre Nützlichkeit gegenüber dem Führer herausgehoben, Herr Reichsführer.«
Himmler nickte ernst. »Das ist richtig. Tiere zwar, aber sofern wir Verwendung für sie haben …« Er zuckte die Achseln.
»Wirklich zu schade, daß der Herr Propagandaminister nichts davon hören wollte«, merkte Hartmann diskret an. »Und das hier ist jetzt die direkte Folge seines Befehls.«
»Goebbels, dieser Schwachkopf. Leistet sich eine Dummheit nach der anderen«, sagte Himmler.
»Der Führer wird nicht sehr erfreut sein. Vielleicht sollte der Herr Reichsführer sich in dieser Angelegenheit äußern. Wie immer an die Vernunft appellieren, zum Beispiel. Goebbels würde dumm dastehen.«
»Sie haben recht, Hartmann, und es würde sich außerdem
Weitere Kostenlose Bücher