Der Flug der Adler
Bar einen Kaffee.
»So sieht man sich wieder, Max. Was war dort oben denn los?«
Max gab ihm die gleiche Erklärung wie zuvor dem Nachrichtenoffizier und bestellte einen Kaffee und einen Schnaps.
»Was hätten Sie da auch groß tun können, ohne Navigator und Bordschützen.«
»Tja, der Tommy hat sein Glück ganz schön strapaziert. Ich hoffe, er schafft's zurück.«
»Von seinen Bombenabwürfen auf das Reich?«
»Wird wohl so gewesen sein.«
»Galland wird nicht erfreut sein, wenn er hört, daß Sie wieder einen von diesen Flügen gemacht haben.«
»Sie werden's ihm natürlich sagen.«
»Muß ich doch.«
Max zuckte die Achseln. »Er ist gut im Nehmen. Hab ihn in Berlin getroffen. Er hat mir für den Januar wieder Jagdflugzeuge versproche n.«
Haupt runzelte die Stirn. »Max, Sie haben genug getan, mehr als genug. Verdammt noch mal, Mann, es ist ein Wunder …«
Er zögerte, aber Max lächelte. »Ein Wunder, daß ich noch unter den Lebenden weile? Das ist wohl wahr. Aus den alten Tagen sind nicht me hr viele übrig. Irgendwer hat mir erzählt, daß von den alten Kriegern, die in der Luftschlacht um England geflogen sind, nur noch zwanzig Prozent dabei sind.« Er lächelte Haupt wieder an. »Und Sie und ich sind zwei davon, und mit Dolfo wären's drei. Dann ist da natürlich noch mein Bruder, aber von dem sprechen wir lieber nicht.« Er bestellte sich noch einen Schnaps.
»Warum wollen Sie immer noch weitermachen, Max? Mit Ihrem Rekord und Ihrem Titel könnten Sie einen festen Posten im Generalstab haben.«
»Es ist halt das, was ich am besten kann«, sagte Max. »Fliegen ist meine Welt. Mein Vater hat für das Royal Flying Corps Bristols geflogen. Nach dem Krieg hat er sich zu Hause in Boston eine gekauft und sie auf einem kleinen Flughafen in der Nähe untergebracht. Als Harry und ich zehn waren, hat er uns ins hintere Cockpit geschnallt und auf einen kleinen Rundflug mitgenommen. Danach war nichts mehr wie zuvor. Als wir sechzehn waren, und ich eben in die Staaten zurückgekehrt war, um etwas Zeit mit meinem Bruder zu verbringen, haben wir bei einem alten Piloten vom Fliegerkorps fliegen gelernt. Und wir waren gut, Herr Oberst, verdammt gut, von Anfang an.« Er zuckte die Achseln. »Danach hat für mich nur noch das Fliegen gezählt.«
Haupt nickte. »Ich verstehe, aber wissen Sie, was das wirklich interessante an Ihrer Geschichte ist, Max? Die Tatsache, daß Ihr Vater, ein Fliegeras über der Westfront von neunzehnsiebzehn, noch Jahre nach dem Krieg das gleiche Jagdflugzeug flog. Warum wohl?«
»Kommen Sie herein, Doktor Freud.« Max nickte. »Weiß schon, worauf Sie hinauswollen. Der Höhepunkt seines Lebens, und er konnte nicht loslassen.«
»Offensichtlich. Ich würde jetzt loslassen, Max, wenn ich Sie wäre. Es ist noch nicht zu spät.«
Max dachte darüber nach. »Vielleicht haben Sie ja recht. Na egal, ich muß morgen weiter nach Abbeville. Ich hau mich jetzt aufs Ohr.« An der Tür blieb er kurz stehen. »Sagen Sie mir eines: Fühlen Sie sich auch manchmal so müde? So völlig ausgepumpt? So als wären Sie irgendwie am Ende?«
»Ja, so geht's uns allen ab und an. Der Krieg dauert schon so lange«, sagte Haupt ernst. »Gehen Sie nur, gehen Sie schlafen, Max.«
Die Tür fiel ins Schloß. Haupt saß mit düsterer Miene da und sagte zu dem Barmann: »Geben Sie mir einen Cognac. Ich hab einen nötig.«
Als Harry Munro und Carter zum ersten Mal in einer Lysander nach Cold Harbour fliegen sollte, war es ein schlechter Flug. Es war Neujahr, der Himmel wolkenverhangen, und schiefergrauer Regen durchschnitt die Landschaft von Cornwall. Er ging auf tausend Fuß und setzte zur Landung an. Unter ihnen lag die Küste von Cornwall, die Bucht von Cold Harbour und der Kai an dem ein Kriegsboot angedockt war.
»Ist das nicht ein deutsches Torpedoboot?« sagte Harry, während er den Ort umkreiste.
»So ist es«, antwortete Munro fröhlich. »Geheimprojekt. Geht Sie nichts an. Dies ist ein Ort, an dem sich jeder um seine eigene Angelegenheiten kümmern sollte, Harry. Sie werden schon noch sehen.«
»Was ist mit den Dorfbewohnern?« fragte Harry und setzte den Landungsanflug fort.
»Haben wir alle ausgesiedelt, alter Junge«, sagte Carter. »Das Pub, The Hanged Man , ist noch offen, fürs Personal. Eine Frau namens Julie Legrande führt den Laden für uns. Sie ist auch die Wirtschafterin des Gutshauses. Ah, da können Sie es
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