Der Flug der Stoerche
nach Edelsteinen. Für seine >Krone<. Unter größter Geheimhaltung ließ sich eine Schürfkolonne im Wald nieder, ich bekam die Leitung. Schon im Oktober fanden wir phantastische Diamanten, die sofort zum Schliff nach Antwerpen geschickt wurden.«
»Wann hast du Böhm wiedergesehen?«
»Anderthalb Jahre später, im Januar 1979, in Bangui. Ich traute meinen Augen nicht. Er hatte ziemlich stark abgenommen, bewegte sich langsamer und vorsichtiger, und seine Bürstenhaare waren völlig weiß geworden. Wir suchten uns eine Stelle am Fluß, wo man ungestört reden konnte. Die Stadt war anderweitig im Aufruhr, zu der Zeit hatten die Studentenunruhen angefangen.«
»Was hat Böhm zu dir gesagt?«
»Er hat mir ein total irres Geschäft vorgeschlagen. Was er sagte, war ungefähr folgendes: >Bokassas Regime ist am Ende, und bis zu seiner Absetzung ist es bloß noch eine Frage von Wochen. Außer dir und mir weiß niemand, was wirklich in der Sicamine steckt. Wir wissen, wie das läuft im Wald, nicht wahr? Nichts hindert uns dran, die schönsten Steine für uns zu behalten. Niemand wird je nachschauen, was aus den Sümpfen wirklich zutage gefördert wird.< Haha. Böhm, der afrikanische Gerichtsherr und Korrektheitsfanatiker, wollte mich für den Diamantenraub gewinnen. >Ich bin fertig mit Afrika<, sagte er. >Ich komm’ nie mehr hierher, mein ganzes Leben nicht. Aber ich kann deine Steine in Europa in Empfang nehmen und in Antwerpen verkaufen. Was hältst du davon?<
Ich habe nachgedacht. Diamantenschmuggel ist die stärkste Versuchung, wenn man eine Arbeit hat wie ich damals: den ganzen Tag in der Scheiße stehen und zusehen, wie einem die größten Schätze zwischen den Fingern durchrutschen. Aber ich kannte natürlich auch die Risiken. Ich fragte Böhm, wie er sich das vorstellt, wer denn die Diamanten über tausend Grenzen nach Europa bringen soll, aber er meinte: >Keine Sorge. Ich habe die besten Kuriere, die du dir denken kannst. Kuriere, die weder mit dem Flugzeug noch mit dem Schiff oder sonst einem Beförderungsmittel reisen und die nie durch irgendeinen Zoll oder durch eine Paßkontrolle müssen.< Ich sah ihn an und erwartete, daß er aufhören würde, in Rätseln zu sprechen. Aber er machte es spannend und forderte mich auf, mit ihm nach Bayanga zu fahren, dort wollte er mir seine Kuriere zeigen. Auf der Ebene hatten sich Tausende von Störchen zum Rückflug nach Europa versammelt. Böhm drückte mir sein Fernglas in die Hand, zeigte auf einen beringten Storch und sagte: >Seit zwanzig Jahren kümmere ich mich um die Störche. Wenn sie im März zurückkommen, nehme ich sie in Empfang, füttere sie und beringe ihre Jungen. Seit zwanzig Jahren studiere ich ihre Wanderung, ihre Zyklen und so weiter, alles, wofür ich mich seit meiner Kindheit begeistert habe. Heute werden uns meine Erkenntnisse auf eine Weise zugute kommen, wie du’s dir nicht einmal träumen läßt! Schau dir den Vogel mit dem Ring an. Stell dir vor, du bringst einen oder mehrere Rohdiamanten in seinem Ring unter. Was passiert? In zwei Monaten sind die Diamanten in Europa, und zwar in einem ganz bestimmten Nest. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche, denn die Störche kehren jedes Jahr exakt zum selben Nest zurück. Wenn man das mit allen beringten Störchen so macht, kann man Tausende von Diamanten befördern, ohne Probleme. Im Frühjahr finde ich die Vögel wieder und hole mir ihre Fracht und brauche sie nur noch in Antwerpen zu verkaufen.<
Was meine Rolle dabei sei, fragte ich, und Böhm antwortete: >Du zweigst die schönsten Diamanten für dich ab. Dann fährst du nach Bayanga und versteckst sie in den Ringen der Vögel. Ich besorg’ dir ein Gewehr mit Betäubungspatronen. Nachdem du ein guter Schütze bist, wirst du dafür nicht länger als eine oder zwei Wochen brauchen. Und für dich springen dabei zehntausend Dollar im Jahr heraus.< Was armselig war, wenn man bedenkt, was sich mit dieser Masche tatsächlich verdienen läßt. Aber Böhm erklärte, er sei nicht allein in dem Geschäft. Ich begriff bald, was los war.
Die Idee stammte von jemand anderem. Nämlich von diesem Dschungelarzt, dem irren Chirurgen. Er hatte uns in der Hand und konnte uns zu dem Diamantenschmuggel zwingen. Der gleiche Ring wurde im Osten aufgezogen, in Südafrika, wo van Dötten saß. Wir steckten in der Klemme, ohne Ausweg, aber gleichzeitig mit der Aussicht auf Reichtum. Ich sagte, ich mache mit. Die Fortsetzung kennst du. Die Methode hat jahrelang perfekt
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