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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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hast du mit dem Sohn gemacht?< Ich bin in die Klinik gerannt, bevor er was sagen konnte. Ein Labyrinth, alles weiß gekachelt. Es dauerte eine Weile, bis ich den Operationssaal wiederfand. Ein Buschmann stand Wache mit einer AK-47. Aber ich konnte das Blutbad auch durch die Glasscheibe sehen. Die Kacheln waren rot, von den Wänden triefte es rot, die beiden Operationstische schwammen im Blut. Ich hätte nie gedacht, daß ein menschlicher Körper soviel bluten kann. Und in der Luft hing ein beschissener Aasgeruch. Ich war starr vor Entsetzen.
    Hinten im Raum, im Halbdunkel, sah ich Max liegen, der friedlich unter einem weißen Laken schlief. Aber näher bei der Glasscheibe lag der Sohn Böhm. Ein einziges Gemetzel. Der ganze Körper war wie durch den Fleischwolf gedreht, verstehst du? Systematisch zerstückelt. Du kennst ja meinen Ruf, ich hab’ keine Angst vor dem Tod, und ich bin ein Sadist, jawohl, ich hab’ immer gern Schmerzen zugefügt, vor allem den Negern. Aber was da vor mir lag, das war sogar mir zuviel. Die Leiche war völlig zersäbelt von oben bis unten und der Rumpf vom Bauch bis zum Hals aufgeschnitten. Das Gedärm war halb rausgerissen und hing über den Bauch.
    Man braucht nicht besonders schlau zu sein, um zu kapieren, was der feine Chirurg gemacht hatte. Er hatte dem Jungen das Herz rausgenommen und in den Vater eingepflanzt. Sicher eine geniale Sache, wenn man so was mitten im Dschungel hinkriegt. Aber diese zerstückelte Leiche vor mir, das war nicht die Arbeit eines Genies. Das war das Werk eines Wahnsinnigen, eines gottverdammten Nazis oder was weiß ich. Unglaublich. Ich hab’ den Anblick nie mehr vergessen. Was mich vor allem beeindruckt hat, war das Gesicht des Jungen. Sein Kopf war in einem unmöglichen Winkel verdreht, fast schon auf dem Rücken, die Augen quollen ihm aus den Höhlen, und das blanke Entsetzen stand darin. Und er war geknebelt, und deswegen war mir klar, daß der Irre seine Sauereien an dem Jungen bei vollem Bewußtsein gemacht hatte, ohne Narkose. Ich zog meinen Revolver und ging wieder hinaus, wo der Doktor mich erwartete in Begleitung von vier Buschmännern, alle bis an die Zähne bewaffnet. Sie blendeten mich mit Sturmlampen, und ich konnte nichts sehen, aber die schmierige Stimme des Doktors hörte ich. >Seien Sie vernünftig, Kiefer. Bei der geringsten Bewegung knall’ ich Sie ab wie einen Hund. Sie sind jetzt Komplize bei dem Mord an einem Kind. Darauf steht Todesstrafe, im Kongo wie in Zentralafrika. Aber wenn Sie tun, was ich Ihnen sage, dann gibt es erstens keinen Stunk und zweitens wahrscheinlich ziemlich viel Geld zu verdienen.< Nach den Worten dieses Doktors sollte ich also die Leiche des Böhm-Sohns nach M’Baiki schaffen und zusammen mit einem Negerarzt irgendeine offizielle Version zusammenbasteln. Ich sollte ein paar Millionen dran verdienen. Vorerst. Später noch viel mehr. Ich hatte keine Wahl. Ich band also die Leiche des Böhm-Sohns auf eine Tragbahre und marschierte mit zwei Trägern zur SCAD. Den Vater Böhm ließ ich in den Händen des Irren zurück. Van Dötten hatte sich aus dem Staub gemacht. Ich fand meinen Lieferwagen vor und fuhr mit der Leiche, die schon verweste, nach M’Baiki. Die ganze Geschichte war mir recht widerlich, und ich hoffte, daß der Urwald diesen irren Arzt verschlingen würde.«
    In dieser Nacht des Schreckens hatten Böhm, Kiefer und van Dötten - die beiden letzten gegen ihren Willen - ihre Seelen dem Teufel verkauft. Ich hatte bisher nie an einen vierten Mann gedacht, der das Trio anführte, aber so war es: seit jener Nacht im August 1977 standen die drei Männer unter Kontrolle. Das erklärte auch die Titankapsel in Max Böhms neuem Herzen: sie war das Beweisstück - die >Signatur< des Doktors und der konkrete Ausdruck seines Verbrechens, mit dem er Böhm - und indirekt auch die beiden anderen – für immer in seine Gewalt gebracht hatte.
    »Die Fortsetzung kenne ich«, sagte ich. »Ich habe M’Diaye ausgefragt. Du hast ihm seinen Bericht diktiert und bist mit der Leiche nach Bangui weitergefahren. Was ist danach passiert?«
    »Ich habe Bokassa irgendwas erzählt. Hab’ ihm erklärt, daß ein Gorilla uns angefallen hat, daß der junge Böhm dabei ums Leben gekommen und der alte Böhm über Brazzaville nach Hause zurückgekehrt ist. Das war nicht sehr überzeugend, aber Bokassa war das egal. Für ihn zählte nur eins: die Entdeckung einer Diamantenader. Es war drei Monate vor seiner Krönung, und er suchte überall

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