Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
Vom Netzwerk:
funktioniert. Jedes Jahr habe ich an die tausend kleine Diamanten an den Beinen der Störche befestigt und bekam den Lohn dafür auf ein Nummernkonto in der Schweiz. Alles lief prächtig, im Osten genauso wie im Westen. Bis zum April dieses Jahres .«
    Kiefer verstummte. Seine Lippen brachten ein saugendes Geräusch hervor, und sein ausgezehrter Körper unter der Decke bäumte sich unter einem inwendigen Schmerz. Er sank zurück, dann warf er mir einen schrägen Blick aus seinen schwarzen Augenhöhlen zu und sagte spöttisch: »Zeit fürs Fläschchen.«
    Er griff nach der Spritze und einem der Flakons auf dem kleinen Tisch und zog eine Dosis Morphium auf. Mit knappen Gesten bereitete er seine Injektion vor, seine Hände waren ruhig. Als er den linken Ärmel hochschob, sah ich, daß sein Arm voller dunkler Flecken war, die erhaben, wie eingetrocknetes Blut aussahen und merkwürdige Atolle in einem milchigen Meer bildeten. Mit erfahrener Hand band er sich den Arm ab, während er die Spritze im Mund festhielt. Sofort schwollen die Venen an, und Kiefer prüfte jede einzelne mit der Nadelspitze auf der Suche nach der besten Einstichstelle, dann stieß er mit einem jähen Ruck zu. Unter der Wirkung der Droge krümmte er sich vor, ganz auf sein Tun konzentriert, sein kahler Schädel geriet in einen Sonnenstrahl und leuchtete weißlich auf wie ein phosphoreszierender Stein. Unter der Haut bewegten sich seine knochigen Gelenke. Sekunden vergingen. Dann entspannte er sich. Er stieß ein heiseres Lachen aus, und sein Kopf sank zurück in den Schatten.
    Ich dachte über seine letzten Worte nach. Ja, ich kannte die Fortsetzung. Im April waren die Störche aus dem Osten nicht wiedergekommen. Böhm war in Panik geraten und hatte seine Schergen ausgesandt. Die beiden Männer waren der Storchenroute gefolgt, hatten aber nichts gefunden. Sie hatten bloß Ido umgebracht, den einzigen, von dem sie wirklich etwas hätten erfahren können. Später war Böhm auf die Idee verfallen, mich auf dieselbe Fährte anzusetzen und mir die beiden Bulgaren auf die Fersen zu hetzen mit dem Auftrag, mich zu eliminieren, sofern ich zu >neugierig< würde. So hatte er mich zum Abschuß freigegeben, in der einzigen Hoffnung, ich würde irgendein nebensächliches Detail über den Verbleib der Störche herausfinden. Die Hauptfrage aber war nach wie vor ungeklärt: Wieso war er ausgerechnet auf mich verfallen? Ich überlegte, ob Kiefer mir eine Antwort darauf geben konnte, und im selben Moment fragte er, als hätte er meine Gedanken gelesen: »Und du, wieso warst du den Vögeln hinterher?«
    »Ich war im Auftrag von Böhm unterwegs.«
    »Im Auftrag von ...«
    Kiefer ließ ein schreckliches, abgehacktes Rascheln hören, das ein Gelächter war, schwarz und klebrig, und wieder troff zähflüssiger Speichel auf sein Hemd. »Im Auftrag von Böhm ... Im Auftrag von Böhm ...«:, wiederholte er.
    Ich unterbrach sein Geröchel. »Ich weiß nicht, warum er mich ausgesucht hat - ich hatte keine Ahnung von Vögeln, und vor allem gehörte ich nicht zu eurem System. Aber Böhm hat mich irgendwie auf euch angesetzt, wie einen Hund in einem Spiel von lauter Mördern.«
    Kiefer seufzte. »Das ist jetzt alles nicht mehr so wichtig. Ohnehin waren wir aufgeschmissen.«
    »Wieso das?«
    »Na, Böhm ist ja mittlerweile tot. Und ohne ihn funktionierte die Sache nicht. Er war der einzige, der die Nester und die Nummern kannte. Er hat das Geschäft mit ins Grab genommen. Und uns dazu. Denn wir taugten zu nichts mehr und wußten viel zuviel.«
    »Wer, wir?«
    »Ich, van Dötten, die Bulgaren.«
    »Hast du dich deshalb in Bayanga versteckt?«
    »Ja. Aber zu spät. Was hat es mir denn genützt - ich bin schon seit Jahren krank. Ironie des Schicksals, nicht? Aids mit Sechzig - ist das nicht zum Schieflachen?«
    »Und van Dötten?«
    »Weiß ich nicht, wo er ist. Soll er verrecken.«
    »Wer bedroht dich denn?«
    »Das System, dieser Arzt, was weiß ich. Wir waren Teil von etwas Größerem, etwas Internationalem, kapierst du? Ich hocke seit zehn Jahren in meinem Loch, ich war’ nicht in der Lage, dir irgendwas dazu zu sagen. Böhm war immer mein einziger Verbindungsmann, ich kannte nicht mal diesen Sikoff persönlich.«
    »Sagt dir der Name Monde Unique etwas?«
    »Dunkel. Sie unterstützen eine Missionsstation in der Nähe der Sicamine. Eine Nonne, die sich um die Pygmäen kümmert. Solche Sachen sind mir gleichgültig.«
    Operationen ohne Narkose, Organdiebstahl, das gehörte

Weitere Kostenlose Bücher