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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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Freunde und Bekannter, die sich über meine monatelange Abwesenheit wunderten. Von Dumaz keine Nachricht, und dieses Schweigen kam mir merkwürdig vor. Befremdlich war auch ein neuerlicher Anruf von Nelly Braesler - in den fünfundzwanzig Jahren ihrer Fernerziehung hatte sie sich nicht so häufig für mich interessiert. Woher dieses plötzliche Interesse?
    Es war sechs Uhr morgens. Ich wanderte durch meine Wohnung und empfand eine Art Schwindelgefühl. Nach meinen letzten Erlebnissen kam es mir unwirklich vor, wieder hierzusein, am Leben, umgeben von allem Komfort. Im Geist ließ ich die Bilder der letzten Tage in Afrika vorüberziehen. Beckes und ich, wie wir die Leiche von Otto Kiefer in der Ebene begruben, eingewickelt in das blutige Moskitonetz, mitsamt seinen Diamanten. Die Schikanen der Polizisten von Bayanga, denen ich erklärt hatte, Otto Kiefer habe sich mit der Selbstladepistole erschossen, die er unter seinem Kopfkissen verwahrte. Der Abschied von Tina, die ich ein letztes Mal am Ufer des Flusses umarmt hatte. Meine Reise nach Afrika hatte genausoviel Licht in die Sache gebracht, wie sie neue Rätsel aufgeworfen hatte. Mit Otto Kiefers Aussage war die Diamantenaffäre geklärt. Zwei der Schlüsselfiguren waren tot. Van Dötten versteckte sich höchstwahrscheinlich irgendwo in Südafrika. Sarah Gabbor war noch nicht wieder aufgetaucht, wahrscheinlich hatte sie ihre Diamanten bereits verkauft. Die junge Frau war jetzt reich, aber sie war auch in Gefahr. In diesem Moment waren ihr die Killer sicherlich schon auf den Fersen: in diese letzte, einzige Frage mündete der Diamantenring - aber mit dem geflügelten Kuriersystem war es ein für allemal vorbei.
    Es blieb der >Doktor< aus Afrika, der Drahtzieher der ganzen Affäre. Seit mindestens fünfzehn Jahren suchte sich ein Mann überall auf der Welt unschuldige Opfer aus, operierte sie bei vollem Bewußtsein und stahl ihnen das Herz. Die Annahme eines Organschmuggels lag nahe, aber mehrere Details deuteten darauf hin, daß eine komplexere Wahrheit dahintersteckte. Wieso ging dieser Chirurg mit derartigem Sadismus zu Werk? Wieso betrieb er eine derart sorgfältige Auswahl seiner Opfer und unterhielt zu dem Zweck ein weltweites Datennetz, während ein Organhandel sich schon in einem einzigen Land hätte organisieren lassen? War er auf der Suche nach einem ganz speziellen Gewebetyp? Im Augenblick standen mir nur zwei Spuren offen, denen ich nachgehen konnte.
    Erstens: Der >Doktor< und Max Böhm hatten sich zwischen 1972 und 1977 im äquatorialen Regenwald bei einer der Expeditionen des Schweizers kennengelernt. Der Chirurg hatte sich folglich im Kongo oder in Zentralafrika aufgehalten - und sicher nicht immer mitten im Dschungel. Mit Hilfe der Zollbehörden und Krankenhäuser beider Länder konnte ich seinen Weg nachzeichnen - aber wie sollte ich ohne offizielle Befugnis an die notwendigen Informationen herankommen? Ich konnte auch die Spezialisten für Herzchirurgie in Europa befragen, denn ein Arzt, der in der Lage war, eine Herztransplantation wie bei Max Böhm durchzuführen, und das mitten im Urwald, im Jahr 1977, war außergewöhnlich, wenn nicht einmalig, und es mußte doch möglich sein, die Fährte eines solchen Virtuosen zu verfolgen, der französischsprachig war und in der Mitte Afrikas lebte. Ich dachte an Catherine Warel, die Ärztin, die an Max Böhm die Autopsie durchgeführt und Dumaz bei seinen Ermittlungen unterstützt hatte.
    Die zweite Spur war Monde Unique. Der Mörder bediente sich ohne Wissen ihrer Leiter dieser gewaltigen Maschinerie, ihrer Kapazitäten zur Analyse und Datensammlung, um seine Opfer überall auf der ganzen Welt ausfindig zu machen. Vor Ort benutzte er Helikopter, sterile Operationszelte und anderes logistisches Material der Monde-Unique-Zentren. Ein Mann, der so vorgehen konnte, hatte zweifellos einen wichtigen Posten innerhalb der Organisation. Deshalb sollte man sich Zugang zum Organigramm von Monde Unique verschaffen. Wenn man dessen Informationen den Auskünften aus Afrika gegenüberstellte, würde vielleicht ein Name zum Vorschein kommen, bei dem alle Daten zusammenliefen. Aber auch hier scheiterte ich an meiner mangelnden offiziellen Position. Ich hatte keinerlei Amt, keinen speziellen Auftrag. Dumaz hatte mich gewarnt: man greift nicht einfach eine weltweit anerkannte humanitäre Organisation an.
    Und auf einer tieferen Ebene trat meine persönliche Ermittlung auf der Stelle. Ich war am Ende, erschöpft, gelähmt von

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