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Der Flug der Stoerche

Der Flug der Stoerche

Titel: Der Flug der Stoerche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Christophe Grangé
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entdeckt. Ich weiß nicht, was, aber er hat mir mehrmals versichert, daß wir reich werden und nach Europa gehen würden. Zuerst habe ich seine Hirngespinste nicht ernst genommen, ich dachte, Ido hätte das alles mir zuliebe erfunden.«
    »Wann war das?«
    »Anfang März, glaube ich. Eines Abends ist er nach Hause gekommen und war völlig außer sich. Er hat mich umarmt und gesagt, ich könnte gleich packen. Ich hätte ihm fast ins Gesicht gespuckt. Ich kann’s nicht ausstehen, wenn man sich über mich lustig macht.«
    »Wo kam er denn her?«
    Sarah zuckte die Achseln. »Aus dem Sumpf, wie immer.«
    »Hat Ido nicht irgendwelche Papiere hinterlassen, irgendwelche Notizen?«
    »Es ist alles in seiner Vogelklinik, dort hinten im Garten ... Noch etwas: die Organisation Monde Unique ist hier sehr präsent. Die Leute arbeiten mit der UNO zusammen und betreuen die Palästinenserlager.«
    »Was machen sie dort?«
    »Sie kümmern sich um die arabischen Kinder, verteilen Lebensmittel, Medikamente. In Israel hört man sehr viel Gutes über sie. In der Hinsicht ist man sich hier ausnahmsweise mal einig.«
    Ich notierte mir jedes Detail. Sarah sah mich erneut forschend an, dann senkte sie den Kopf.
    »Louis, warum machst du das alles? Wieso wendest du dich nicht an die Polizei?«
    »An welche Polizei? Von welchem Land? Und wegen welchem Verbrechen? Ich hab’ nicht den geringsten Beweis. Außerdem gibt es schon einen Polizisten, der in der Sache ermittelt. Hervé Dumaz. Ein komischer Bulle, er forscht auf eigene Faust, und seine eigentlichen Beweggründe sind mir immer noch nicht ganz klar. Aber vor Ort bin ich allein. Allein und entschlossen.«
    Auf einmal ergriff Sarah meine Hände, ehe ich Zeit hatte, sie daran zu hindern. Ich empfand nichts. Weder Abneigung noch Scheu. Genausowenig, wie ich ihre sanften Finger auf meinen toten Extremitäten spürte.
    Sie wickelte die Verbände auf und fuhr mit den Fingern über die langen Narben. Ein merkwürdiges Lächeln lag in ihrem Gesicht, es hatte etwas auffällig Perverses an sich. Dann warf sie mir einen sehr langen, eindringlichen Blick zu, der sich in unsere Gedanken schlich; er hieß: genug der Worte.
     

18
     
    Es war stockfinstere Nacht, aber auf einmal nahm alles eine sonnenhelle Wendung. Es war etwas Grobes, Brutales, Unnachgiebiges. Unsere Gesten waren wild und ruckartig, unsere Küsse wurden lang, leidenschaftlich, gierig. Sarahs Körper war wie der eines Jungen, schmalhüftig, flachbrüstig. Lange Muskeln, hart und angespannt wie Taue. Unsere Münder blieben stumm, allein auf das Atmen konzentriert. Ihre Haut ertastete ich mit der Zunge, nie mit den Händen, die mir mehr denn je nutzlos waren, tote Materie. Ich kroch, wand mich, bewegte mich in Spiralen vorwärts, bis ich ihren Mittelpunkt erreichte, glühendheiß wie ein Krater. In dem Augenblick richtete ich mich auf und drang in ihren Körper ein. Sarah zuckte wie eine Flamme. Sie stöhnte rauh auf und packte mich an den Schultern. Ich blieb in meiner Position, eisern, aufgerichtet. Sarah schlug mich auf die Brust, den Rücken und beschleunigte die Bewegungen unserer Hüften. Wir waren weit entfernt von aller Sanftheit oder Zuneigung - zwei Tiere, die einander fremd sind, aneinandergeschmiedet durch einen Todeskuß. Erschütterungen. Erschaudern. Ohnmächten. Felsen, an denen die Haut sich blutig reißt. Küsse, die sich gegenseitig ersticken. Als ich einmal die Augen aufschlug, sah ich ihre schweißnassen blonden Haare, ihre Hände in die Falten des Lakens gekrallt, die Windungen geschwollener Adern unter ihrer Haut. Auf einmal murmelte Sarah etwas auf hebräisch. Ein Röcheln drang aus ihrer Kehle, dann schoß ein eisiger Lavastrom aus meinem Bauch. Wir verharrten, wie wir waren, reglos. Wie geblendet von der Nacht, betäubt von der rohen Gewalt unseres Tuns. Ohne Lustgefühl, ohne Gemeinsamkeit. Das war lediglich die einsame, animalische, selbstsüchtige Erleichterung zweier Wesen im Kampf mit ihrem eigenen Fleisch. Ich verspürte keine Bitterkeit angesichts dieser Leere. Unser Krieg der Sinne würde sich irgendwann mäßigen, besänftigen, und schließlich würden wir eins werden. Aber das brauchte Geduld. Im Lauf dieser Nacht. Vielleicht in der nächsten. Dann würde aus dem Liebesakt Lust entstehen.
    Eine Stunde verging, draußen graute das erste Tageslicht. Auf einmal erhob Sarah ihre Stimme: »Was ist mit deinen Händen, Louis? Erzähl’s mir.«
    Durfte ich Sarah belügen nach dem, was geschehen war? Es war

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