Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
aber die Luft an!«, warnte der Geber. »Sie kam mit einer dicken Börse herein und hat verlangt, dass sie mitspielen darf. Wer genügend Geld mitbringt, darf spielen – so sind die Regeln in jedem anständigen Haus. Zuerst hielten wir das für einen Scherz, aber sie hat eine Hand nach der anderen gewonnen, und jetzt spielen wir ernsthaft. Also, warum lassen Sie uns nicht einfach in Ruhe?«
»Ihr solltet euch zum …«
»George, bitte!«, fiel ihm Yvette ins Wort. »Nur noch diese eine Hand! Anschließend gehen Jeannette und ich sofort nach Hause. Das schwöre ich!«
Wütend und misstrauisch sah George das Mädchen an, aber dann gewann die Vernunft die Oberhand. Angesichts ih rer Verluste waren die Mitspieler nicht gerade gut aufgelegt, und eine Prügelei war das Letzte, was er jetzt brauchen konnte. Auf jeden Fall würde er John den Hals umdrehen. Als dieser ihm neulich bei einem Besuch im Lager vom Ausflug ins Dulcie’s erzählt hatte, hatte er ihn gewarnt und gesagt, dass er das eines Tages noch bereuen würde. Aber John hatte ihn nur ausgelacht und gespottet, dass er wie Charmaine klinge. Höchstwahrscheinlich saß der Urheber all dieser Schwierigkeiten in Ruhe zu Hause und hatte keine Ahnung, womit sein Freund sich hier herumschlagen musste. Wo, um alles in der Welt, war Dulcie? Wusste denn keiner, wer die Mädchen waren?
»Also gut – nur noch ein einziges Spiel, aber nicht mehr!« Er drehte sich auf dem Absatz um und kehrte zu seinem Bier zurück. Es war ein kleines Wunder nötig, wollte er die Kinder ohne Skandal nach Hause bringen. »Einen Whisky, und zwar einen doppelten!«, bestellte er, während er das Ale in einem Zug trank.
Dann drehte er sich wieder um und beobachtete die Szene am Tisch. Jeannette beugte sich zu Yvette und flüsterte ihr offenbar eine dringende Bitte ins Ohr. Doch ihre Schwester schüttelte nur den Kopf und legte zwei ihrer ursprünglichen fünf Karten auf den Tisch. Drei gleiche, dachte George, als er sah, wie sie zwei weitere Karten vom Geber forderte.
Ein Schwall kühler Nachtluft verriet die Ankunft neuer Gäste. Als urplötzlich Stille eintrat, spähte auch George durch den Dunst zum Eingang hinüber und gewahrte Dulcies Wohltäter. Frederic Duvoisin.
In seiner Panik war er in drei Schritten an der Tür. Frederic und Paul standen noch auf der Schwelle und ließen ihren Blick über die versammelten Gäste gleiten, als sie sich einer nach dem anderen wieder ihrer Beschäftigung zuwandten. »Frederic … ah, Paul …« George hüstelte und dankte dem Himmel, als beide Männer ihn erstaunt ansahen. »So früh habe ich das Schiff noch gar nicht zurückerwartet.«
»Ach nein?« Paul runzelte die Stirn. »Ich habe immer gesagt, dass wir am Wochenende zurückkommen.«
»Das hast du, das hast du.« Mit falschem Lachen nahm er Pauls Arm und versuchte ihn herumzuziehen. »Vermutlich bin ich überarbeitet. Ich habe gar nicht gemerkt, dass die Woche schon vorbei ist. Es ist tatsächlich schon Freitag! Du lieber …«
»George, ist etwas los?«, unterbrach ihn Paul.
»Was soll denn los sein? Nichts ist los.« Sein Lachen klang hohl. »Wie kommst du denn auf so etwas?«
»Weil du mich so am Arm zerrst.«
»Unsinn.« George ließ den Arm los, als ob er sich verbrannt hätte. Er wollte Paul nicht misstrauisch machen. »Ehrlich gesagt, gab es ein kleines Problem, Sir. Aber hier drinnen ist es schrecklich stickig. Sollen wir einen Moment nach draußen gehen?«
Frederic betrachtete George mit gemischten Gefühlen. »Wenn Sie uns etwas zu sagen haben, George, so können Sie es uns genauso gut hier sagen.«
»Sir?« George schluckte verlegen, und es war klar, dass er etwas zu verbergen hatte.
Mit einem Mal durchschnitt ein schriller Aufschrei die Luft. George zuckte zusammen und fluchte leise. »Betrüger!« Wütend schoss Yvette in die Höhe und wies mit ausgestrecktem Finger auf den Geber. »Das Ass haben Sie aus dem Ärmel gezogen!«
Der Mann lachte verschlagen. »Beweise es!«
»Hier!« Yvette spuckte förmlich aus und schleuderte dieselbe Karte auf den Tisch. »Ich habe das Pik-Ass in der Hoffnung behalten, dass ich ein höheres Paar ablegen kann!«
Die Matrosen schossen hoch, dass ihre Stühle krachend umfielen. Im ersten Moment fürchtete Yvette, dass die Männer sie verschlingen würden, aber ein Blick in ihre Gesichter und auf die Karten, die sie auf den Tisch geworfen hatten, sagte ihr, dass sie gewonnen hatte. Sie hatte den Geber überführt, und nun konnte sie mit
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