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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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was er in ihren Augen las? Als ob sie seine Gedanken erraten hätte, wandte sie das Gesicht ab. Paul dagegen konzentrierte sich ganz auf George, um seine Instinkte zu beruhigen.
    »Willkommen, du müder Reisender«, begrüßte ihn dieser. »Wie gehen die Arbeiten auf Espoir voran?«
    »Sehr gut, danke. Aber was ist das für ein unerwarteter Empfang?« Paul legte den Arm um Jeannette und sah wieder zu Charmaine hinüber. »Sie sehen wunderhübsch aus, Charmaine.«
    »Sie nicht minder«, gab diese zurück. »Ich meine – Sie sehen gut aus.«
    Die Mädchen lachten, als ihre Gouvernante errötete.
    »Es geht mir auch gut. Besonders, wenn ich an Fatimas Kochkünste denke. Ich darf gar nicht erzählen, was Männer in einem Lager so alles kochen. Manches konnte man beim besten Willen nicht essen. Ich bin froh, wieder hier zu sein. Auf Espoir fühle ich mich noch nicht zu Hause.«
    »Das kommt bestimmt noch«, sagte George. »Das braucht Zeit.«
    »Vermutlich.« Er streckte die Arme nach Pierre aus. »Hast du mich denn vermisst, mein Kleiner?«
    »Hm. Ich habe Hunger. Ich will nach Hause.«
    »Und ich erst! Dann also los, gehen wir!«
    George eilte zum Stall voraus, und Paul, Charmaine und die Kinder folgten ihm gemächlich. »Ihr müsst mir unbedingt erzählen, was inzwischen passiert ist.« Die Worte waren zwar eindeutig an die Kinder gerichtet, doch sein Blick ruhte ständig auf ihrer hübschen Gouver-nante.
    Den Nachmittag über lief Frederic ruhelos in seinen Räumen auf und ab, und seine Zweifel wuchsen, je dunkler es wurde. Also war dieser Wade Remmen Colettes Liebhaber gewesen. Oder nicht? Sollte er den Mann rufen lassen, um ihn zu befragen? Er schnaubte. Der junge Mann würde alles abstreiten. Vielleicht konnte er ihm ja die Wahrheit an den Augen ablesen. Aber welche Folgen hätte das? Was konnte er tun? Was sollte er tun? Und was war mit den Kindern? Wollte er überhaupt, dass sie davon erfuhren? Wenn er die Sache verfolgte, würde alles unweigerlich ans Licht kommen. Doch die Kinder liebten ihre Mutter und hielten sie für einen Engel. Zu seinem Leidwesen musste er feststellen, dass er sie ebenfalls noch liebte. Trotz ihrer Untreue liebte er sie. Paul hatte recht: Colette war ein guter, ein wunderbarer Mensch. Und wenn sie sich wirklich noch einen Liebhaber genommen hatte, so doch nur seinetwegen und seiner bedauernswerten Verfassung wegen. Er wollte sie nicht länger für alles Elend verantwortlich machen, das ihm widerfahren war, und er weigerte sich, die Kinder mit Vermutungen über ihre untreue Mutter zu quälen. Sie sollten ihre Erinnerungen bewahren. Colette war tot und begraben – und die schmutzige Affäre ebenso. Nachdem er zu diesem Schluss gekommen war, streckte er sich auf seinem Bett aus und versuchte zu schlafen.
    Eigentlich hatte Charmaine nähen wollen, doch nach drei vergeblichen Versuchen legte sie den Stoff beiseite. Sie konnte sich nicht auf die Arbeit konzentrieren, weil sie von beunruhigenden Gefühlen heimgesucht wurde. In einer Sekunde kribbelten ihre Fingerspitzen, und im nächsten Augenblick gaben ihre Knie nach. Sie dachte an den Augenblick im Hafen, an Pauls unbeschreiblichen Blick, und spürte wieder, wie ihr das Blut in den Kopf schoss und ihr ein wahrer Rausch in die Glieder fuhr. Selbst jetzt verging sie noch immer vor Sehnsucht. Guter Gott, was war nur los mit ihr?
    Seit Pauls Ankunft hatte sie kaum ein Wort herausgebracht, und entsprechend froh war sie, als er sich nach dem Dinner mit John und George in die Bibliothek zurückzog und sie und die Kinder unauffällig verschwinden konnten. Zum Glück gingen die Kinder ohne große Proteste ins Bett und schliefen auch früher ein als sonst.
    Am liebsten hätte sie im Garten noch ein wenig frische Luft geschnappt, doch sie schob den Gedanken sofort wieder von sich. Ein Spaziergang hätte vielleicht ihren Kopf geklärt, aber eine Begegnung mit Paul wollte sie nicht riskieren. Sie traute sich selbst nicht mehr über den Weg. Solange diese unerklärlichen Gefühle sie heimsuchten, wollte sie Paul um jeden Preis aus dem Weg gehen. Rasch kniete sie nieder, sprach ihre Gebete und legte sich schlafen.
    Paul trat hinaus auf die Veranda. Es war ein produktives Gespräch gewesen, und morgen wollte er sich ansehen, was sein Bruder in seiner Abwesenheit geschafft hatte. George zufolge war er ihm eine unschätzbare Hilfe gewesen – besonders was die Produktion des Tabaks anging. Wenn das der Wahrheit entsprach, würde er morgen nicht sofort in

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