Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)
Köchin und weiter zu seinem grinsenden Freund.
»Über tote Fische«, sagte John. »Nur über ein paar tote Fische.«
Sonntag, 24. September 1837
Als Frederic Duvoisin gegen Mittag ins Kinderzimmer kam, befürchtete Charmaine, dass der geplante Ausflug ins Wasser fallen könnte. Aber Frederic nickte nur, als die Mädchen ihm erklärten, dass sie am Nachmittag in die Stadt fahren würden.
»Ich bleibe nur einen Augenblick«, sagte er, woraufhin sich Charmaine in ihr Zimmer zurückzog, damit die Kinder und ihr Vater ungestört waren.
John hatte lange geschlafen, und es war bereits früher Nachmittag, als er endlich sein Zimmer verließ. Als er an der Kinderzimmertür klopfen wollte, ließ ihn die Stimme seines Vaters blitzschnell anderen Sinnes werden. Rasch änderte er sein Ziel. Lunch …
Vom Treppenabsatz aus fiel sein Blick auf einen großen Fremden in der Halle, der eingehend Colettes Porträt betrachtete. Seine Sonntagskleidung war sichtlich zerschlissen, aber seine selbstsichere, ja, arrogante Haltung ging John gegen den Strich. Als ob der Mann ein Recht hätte, sich in diesen Räumen aufzuhalten!
»Verzeihen Sie«, sagte er und ging die letzten Stufen hinunter. »Kann ich Ihnen helfen?«
Der Fremde löste seinen Blick von dem Bild und sah John an. »Ja, das können Sie.« Dann nahm er ihn genauer in Augenschein. »Sind Sie John?«
»Der bin ich.« John war verblüfft. »Und wer sind Sie?«
»Wade Remmen«, sagte der Mann und streckte ihm die Hand entgegen.
John trat einen Schritt nach vorn und schüttelte sie. »Aha – der berühmte Mr. Remmen«, sagte er mit leisem Spott. »Ich habe schon viel von Ihnen gehört.«
»Genau wie ich, und zwar mehr, als Sie sich träumen lassen.«
John zog eine Braue in die Höhe. Selbstbewusst , dachte er. Kein Wunder, dass Paul ihm Verantwortung übertragen hat . »Was kann ich für Sie tun, Mr. Remmen?«
Wade sah auf die Papiere in seiner Hand hinunter. Er reichte sie John. »Ihr Bruder sagte, dass Sie ihn in seiner Abwesenheit vertreten. Wie Sie wissen, wurde er aufgehalten. Die Papiere enthalten die Aufstellung aller Holzlieferungen der letzten vierzehn Tage und eine Liste der Lieferungen, die nach Espoir gegangen sind.«
John sah die Rechnungen nur flüchtig an. »Ich sorge dafür, dass mein Bruder sie bekommt.«
»Ich bedauere, aber ich muss die Listen unterschrieben im Laden abliefern. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die Papiere unverzüglich durchsehen könnten.«
»Mr. Remmen, heute ist Sonntag. Ich ehre diesen Tag.«
Wade runzelte kurz die Stirn. »Nun gut. Wenn Sie mir die Papiere morgen zur Mühle schicken, kann ich sie nach der Arbeit in die Stadt bringen.«
»Ich habe einen besseren Vorschlag«, sagte John. »Ich bringe sie morgen selbst zum Laden. Was halten Sie davon?«
»Ein ausgezeichneter Vorschlag.«
John geleitete den Mann zur Tür und starrte dann kurz auf die Papiere hinunter. Einen Augenblick später stürmte er, zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe empor und platzte, ohne anzuklopfen, ins Kinderzimmer. Jeannette thronte auf dem Schoß ihres Vaters, Pierre spielte zu seinen Füßen, und Yvette las ihnen eine Geschichte vor. Die Gouvernante war nirgendwo zu sehen.
Frederic sah überrascht auf, als Yvette ihren Bruder mit dem Satz »Wo kommst du denn her? Joseph sagte, dass du noch schläfst« begrüßte.
»Ich habe etwas für Vater«, sagte er knapp und legte die Papiere auf das Pult, das dem Sofa am nächsten stand. »Wade Remmen hat diese Papiere soeben gebracht. Sie müssen bis morgen Vormittag unterschrieben sein.«
»Wade?«, rief Jeannette aufgeregt. »Ist er noch da?«
»Ich habe ihn soeben zur Tür geleitet.«
Hastig sprang die Kleine vom Schoß ihres Vaters und flitzte quer durch den Raum davon.
»Was ist denn los?«, rief Frederic ihr nach. Doch statt einer Antwort rannte Jeannette auf die Veranda, um noch einen Blick auf Wade Remmen zu erhaschen.
Yvette verdrehte die Augen. »Sie ist verliebt.«
Frederic lachte ungläubig. »Wirklich? In Mr. Remmen?«
»Nur weil Mama einmal gesagt hat, wie gut er aussieht.«
Frederics Augen verdüsterten sich.
»Was ist los, Papa?«, fragte Yvette.
»Nichts«, stieß Frederic heftig hervor.
John war ebenso verblüfft, doch als er das Gefühl hatte, dass sein Vater mit ihm sprechen wollte, war er blitzartig aus der Tür, ohne auf das Gejammer seiner Schwestern Rücksicht zu nehmen.
»Darf es sonst noch etwas sein, Miss Ryan?«
»Nein …« Unentschlossen strich
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