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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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starrte eine ganze Weile auf den leeren Türrahmen, bevor er sich wieder Mr. Westphal zuwandte. »Ich bedauere die Unterbrechung. Verstehen Sie mich nicht falsch, Stephen, aber ich wüsste gern, was mein Bruder vor meiner Ankunft gesagt hat? Ich hoffe, es war keine Beleidigung.«
    »Es war nicht der Rede wert«, antwortete Stephen mit einer eleganten Handbewegung.
    »Nicht der Rede wert?« Paul war nicht überzeugt. »Haben Sie gestritten?«
    »Es war meine eigene Schuld. Lassen Sie uns nicht mehr darüber reden.«
    »Nein, Stephen. Sie müssen es mir sagen.« Paul musste wissen, was womöglich ernste Folgen für seine Interessen hatte. »Wenn es nötig ist, werde ich auch mit meinem Vater sprechen. John hat nicht das Recht, meinen Gast zu beleidigen.«
    »Es ist nicht nötig, Ihren Vater damit zu behelligen. John hat, aus welchem Grund auch immer, angenommen, dass Frederic mich heute Abend eingeladen hätte. Auf seine sarkastische Art hat John mich wissen lassen, dass meine Tochter bestimmt kein Interesse mehr an ihm hätte, wenn sein Name erst aus dem Testament getilgt sei.«
    An diesem Punkt schaltete sich Agatha ein. »Solche Bemerkungen sollten Sie dorthin zurückschieben, woher sie kommen, Stephen. Ich habe gelernt, das Gerede meines Neffen zu überhören. Aber da wir gerade von Anne reden – Sie müssen mir ihre Adresse geben. Ich möchte sie unbedingt bei unserem Fest dabeihaben. Was wäre denn ein solches Fest ohne eine kluge und kultivierte junge Frau wie Ihre Tochter?«
    Angesichts ihrer Worte hellte sich Stephen Westphals Miene sichtlich auf.
    Nach einigem Nachdenken fand Paul die Aussicht auf Anne Londons Gegenwart durchaus begrüßenswert. Trotz der vielen anderslautenden Versicherungen musste John die Witwe in der einen oder anderen Weise ermutigt und somit ihr dreistes Benehmen herausgefordert haben. Seine Gedanken wanderten in die Zukunft. Falls John Anne Londons Liebreiz einmal erlegen war, so war er vielleicht auch ein zweites Mal verwundbar. Was würde die naive Miss Ryan dann von ihm halten? Dies war genau die Rückversicherung, die Paul brauchte, falls sein Bruder länger auf der Insel blieb.
    »Aber was wird John dazu sagen?«, fragte Stephen, als ob er Pauls Gedanken gelesen hätte. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn das begeistern …«
    »Nicht er lädt ein«, fiel Paul ihm ins Wort, »sondern ich.«
    Stephen strahlte über das ganze Gesicht. Zweifellos wäre seine Tochter entzückt, im Winter diesem anderen gut aussehenden und vielversprechenden Sohn von Frederic Duvoisin zu begegnen.
    Sonntag, 1. Oktober 1837
     
    Nach der Messe vertauschte Charmaine ihr Sonntagskleid mit alltäglichen Sachen.
    »Wir sind fertig!«, riefen die Kinder durch die Tür. »Dürfen wir die Ponys besuchen und die Kätzchen in den Stall bringen?«
    »Ja, aber seid vorsichtig! Geht nur zu Angel und Spook. Den anderen Pferden dürft ihr nicht zu nahe kommen.«
    »Wir passen schon auf!«
    »In einer halben Stunde gibt es Frühstück!«
    Keine Antwort … sie waren längst über alle Berge. Charmaine schüttelte den Kopf und freute sich, dass die Kinder trotz aller Widrigkeiten fröhlich und munter waren.
    Am Morgen hatte John den Mädchen ein vernünftigeres Zuhause für die Kätzchen empfohlen. Und zwar die Scheune. »Dort könnt ihr ihnen ein Bettchen machen. Katzen haben außerdem einen beruhigenden Einfluss auf die Ponys.« Als Yvette skeptisch blieb, schlug er vor, Paul oder George zu fragen, wenn sie ihm nicht glaube. »Pferde und Katzen vertragen sich bestens, und ich kann auch besser schlafen.« Drei Nächte mit Katzenpfoten auf dem Gesicht waren genug. Außerdem hatten die Mädchen von nun an drei Gründe, um in den Stall zu laufen: das Fohlen, die Ponys und obendrein ihre Kätzchen.
    Als Charmaine das Kinderzimmer betrat, lag John der Länge nach auf dem Boden und ließ mit Pierre kleine Segelboote über die Dielen gleiten. Sie freute sich an dem hübschen Bild. »Pierre, bist du hungrig? Es ist Zeit fürs Frühstück.«
    John hob den Kopf. »Hungrig ist gar kein Ausdruck! Ich hoffe, die Messe war diese Strapaze wert.«
    »Das war sie«, entgegnete Charmaine.
    John lachte in sich hinein. »War Father Benitos Predigt wenigstens inspirierend?«
    Sie schwieg, um nicht lügen zu müssen. Das frühere Feuer war dahin und die Messe zur Pflichtübung verkommen.
    Er grinste. »Manches ändert sich offenbar nie. Wie können Sie Benitos Scheinheiligkeit nur ertragen?«
    »Er ist immerhin ein

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