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Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition)

Titel: Der Fluss der Erinnerung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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sich nach allen Seiten um, wobei die Gouvernante und die Kinder in ihr Blickfeld gerieten. »Haben Sie nichts Besseres zu tun, als meinen Mann anzustarren, Miss Ryan? Die Mädchen haben um diese Zeit doch Unterricht, oder nicht? Oder ist diese frivole Zeitverschwendung nur der Auftakt zu einer ungestörten Woche, in der ich die Erfüllung Ihrer Pflichten nicht überwachen kann?«
    »Es reicht, Agatha«, mahnte Frederic. »Miss Ryan betreut meine Kinder sehr gewissenhaft.«
    »Was das angeht, so bist du nicht gut unterrichtet«, widersprach seine Frau, um vor den Angestellten ihr Gesicht zu wahren.
    Frederic verbarg seinen wachsenden Zorn hinter honigsüßen Worten. »Was du nicht sagst? Und wer hat deiner Meinung nach etwas versäumt? Auf jeden Fall liebt Miss Ryan meine Kinder.«
    Beleidigt reckte Agatha das Kinn in die Luft. Dann schritt sie hoheitsvoll die Stufen hinunter und bestieg den Wagen.
    Charmaine wollte schon laut frohlocken, doch als sie bemerkte, dass der Herr des Hauses auf sie zukam, fasste sie sich rasch. »Ich möchte mich noch gern von meinen Kindern verabschieden, Miss Ryan. Pierre, gibst du mir einen Kuss?«
    »Warum?«, fragte der Junge.
    »Damit ich mich an dich erinnere.«
    Frederic beugte sich hinunter, und Pierre küsste ihn auf die Wange. Bevor sein Sohn sich abwenden konnte, schlang sich der Arm des alten Mannes um seine Schultern. Einen Augenblick lang hielt Frederic Pierre an sich gedrückt, dann richtete er sich auf und sah Charmaine in die Augen. »Man weiß nie, wann der letzte Tag kommt.«
    »Der letzte Tag? So etwas sollten Sie nicht sagen …«
    »Doch, das muss ich, Miss Ryan. Ich bin dankbar für alles, was Sie für meine Familie tun. Meine Frau Colette hat Sie damals richtig eingeschätzt. Sie waren den Kindern immer eine wunderbare Mutter. Ich verspreche Ihnen hier und heute, dass ich Sie nie für Umstände verantwortlich machen werde, die nicht in Ihrer Macht liegen.«
    »Sir?«
    »Denken Sie einfach an mein Versprechen, wenn Sie in eine solche Lage kommen sollten.« Er nickte kurz und wandte sich ab, ohne daran zu denken, auch einen Kuss von seinen Töchtern einzufordern.
    Als der Wagen durchs Tor davonfuhr, sah Charmaine John im Schatten der alten Eiche stehen. Seinen Gesichtsausdruck konnte sie nicht erkennen, aber sie beobachtete, wie er sich erregt mit der Hand durchs Haar fuhr. Dann macht er kehrt und war verschwunden.
    Sie scheuchte die Kinder ins Haus. Da der Augenblick günstig war, erlaubte sie ihnen, frei das Haus zu durchstreifen. Es war kaum noch jemand da, nachdem auch die Thornfields den Duvoisins in einem kleineren Wagen zum Schiff gefolgt waren, wo sie bereits von Felicia und Anna erwartet wurden. Wo Paul sich im Augenblick befand, konnte Charmaine nur vermuten. Er hatte schon in aller Frühe das Haus verlassen, und sie bezweifelte, dass sie ihn vor Abfahrt des Schiffes noch einmal zu Gesicht bekommen würde.
    Sie war so in Gedanken versunken, dass sie im Foyer mit George zusammenstieß. Während sie sich entschuldigte, starrte sie auf das Gepäck, das er bei sich trug. Zu ihrem großen Entsetzen musste sie hören, dass auch er abreiste.
    »Wir haben das gestern beim Dinner besprochen«, sagte er. »Wir müssen alles Zuckerrohr pressen, dessen wir habhaft werden können, wenn wir keine Verluste hinnehmen wollen. Zeit ist in diesem Fall bares Geld, und ich erreiche mehr, wenn ich zusammen mit den Männern auf den Feldern kampiere. Frederic hat mir eine Prämie versprochen, wenn wir bis zu seiner Rückkehr mit der Ernte fertig sind.«
    Charmaine wurde blass und bebte ein wenig. »Warum die Aufregung?«, fragte George verwundert und halb belustigt.
    »Dann bin ich ja heute Nacht ganz allein.«
    »Allein kann man das wohl kaum nennen. John ist doch da.«
    »Genau. John und sonst niemand.«
    Als George dämmerte, was sie meinte, brach er in schallendes Gelächter aus.
    »Das ist überhaupt nicht lustig!«
    Er erstickte beinahe. »Und wie!«
    »Wie können Sie das sagen! Ich fühle mich nicht sicher und habe Angst, wenn John im Haus herumschleicht und jeden Moment …«
    »Jeden Moment …?« Die Röte ihrer Wangen reizte seine Lachmuskeln.
    »Ich dachte, Sie seien mein Freund!«
    »Aber das bin ich doch.« Er wurde ernst. »Ärgern Sie sich nicht über mich, Charmaine, und machen Sie sich wegen John keine Sorgen. Er ist der letzte Mensch, vor dem Sie sich fürchten müssen.«
    »Sie haben leicht reden.«
    »Weil es die Wahrheit ist.« Sein Lachen begleitete ihn bis

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