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Der Fluß

Der Fluß

Titel: Der Fluß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ketil Bjørnstad
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ermorden. Ich möchte dir nur unbedingt sagen, daß ich die ganze Zeit an dich denken werde, daß ich hoffe, dich wiedersehen zu können, sobald Christian mir mehr vertraut. Denk daran, wenn du auf dem Podium sitzt, daß du der Beste bist auf der Welt. Das wird dir helfen. Und solltest du über die Anzughose stolpern, was der Himmel verhüten möge, dann zieh es trotzdem durch.«
    Wir lachen beide. Aber sie macht mich traurig. Starke Rebecca, denke ich. Und so offen dafür, das Glück zu erobern.

    Alles ist jetzt auf mich fixiert. Und das liebe ich nicht. Aber Marianne ist wieder pädagogisch, als wir in der letzten Nacht nebeneinanderliegen.
    »Denk daran, das ist zeitlich begrenzt«, sagt sie. »Übermorgen wird alles anders sein. Dann wird so vieles Vergangenheit sein. Dann beginnt ein neues Leben für dich. Dann gibt es nichts mehr, vor dem du dich fürchten mußt. Das gönne ich dir, mein Junge. Das gönne ich dir wirklich.«
    Ich merke die Anspannung in ihrer Stimme, denke aber an nichts Schlimmes. Außerdem bringt sie mich schnell dazu, mich auf andere Dinge zu konzentrieren.
    »Entspann dich jetzt, Aksel«, sagt sie neckend. »Denk nicht mehr an Beethoven. Er kommt klar. Schlimmer ist es mit mir. Verstehst du nicht, daß ich ein Weib in tiefer Not bin?«
9. Juni 1971
    Als ich an diesem Morgen erwache, habe ich das Gefühl, mit allem allein zu sein. Marianne steht wie gewöhnlich vor mir auf und geht in die Praxis. Aber als ich am Vormittag hinunter in die Küche komme, denn sie hat mich ermahnt, lange zu schlafen, sehe ich, daß sie den Frühstückstisch gedeckt hat. Weichgekochtes Ei. Saft in einem Becher. Brot und Aufstrich. Kaffee in der Thermoskanne. Auf der Anrichte ein Zettel mit ihrer klaren, etwas hastigen Handschrift: »Ich liebe dich in jedem Fall, mein Junge.«

    Ich spiele ein letztes Mal das Repertoire durch, achte darauf, kleine Phrasen mental zu verankern, wie Selma Lynge mir geraten hat. Ich darf mich vor dem eigentlichen Konzert nicht zu sehr verausgaben.
    Das Telefon klingelt, es ist Vater aus Sunnmøre. Er klingt nervös und verwirrt. »Ingeborg und ich wären natürlich gerne gekommen, aber Ingeborg hat Probleme mit einem Knie«, sagt er.
    »Ich verstehe«, sage ich. »Ist nicht schlimm. Weißt du, wo sich Cathrine aufhält?«
    »Nein«, sagt er ausweichend. »Aber ich glaube, sie wollte bald nach Norwegen zurückkommen.«
    Dann wird es still. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.
    »Alles Gute«, sagt er.
    »Danke Vater«, sage ich. »Und gute Besserung für Ingeborg.«

    Marianne hat versprochen, nicht vor fünf Uhr zu erscheinen. Aber ich habe darauf bestanden, daß sie mich in die Stadt begleitet. Ich fühle mich ruhig, nicht allzu nervös, auch wenn es im Magen kribbelt. Ich habe ein Bad genommen. Das mache ich selten. Aber wegen der Nervosität ist mir kalt. Nicht einmal das glühend heiße Wasser wärmt.
    Dann kommt sie, steht in der Tür, wedelt mit einer Magnumflasche Champagner.
    »Die trinken wir heute nacht!« sagt sie.
    Sie strahlt, ihre Augen leuchten. Sie hat Kraft für uns beide, denke ich. Das beruhigt mich.
    »Hast du genug gegessen?« sagt sie.
    »Ja«, lache ich. »Ich bin neunzehn Jahre alt. Ich kann für mich sorgen.«

    Ich ziehe den Frack an, den ich mir für die Veranstaltung geliehen habe. Es ist das erstemal, daß ich ein solches Kleidungsstück trage. Es fühlt sich steif und ungewohnt an und ist nicht bequem.
    Als mich Marianne sieht, fängt sie zu grinsen an.
    »Ist das wirklich nötig?« sagt sie.
    Ich versuche zu lächeln. »Das ist nicht Woodstock«, sage ich. »Das ist bitterer Ernst.«

    Wir fahren gemeinsam mit der Straßenbahn in die Stadt. Ich möchte zeitig da sein. W. Gude hat angerufen und gesagt, daß es ausverkauft sein wird. Die Buschtrommel hat gesprochen, sagt er. Ich mag das nicht. Ich bin nicht dafür geschaffen. Mir wäre es lieber gewesen, wenn dreißig uninteressierte Menschen im Saal gesessen hätten.
    Marianne will meine Hand halten, aber ich muß sie bewegen, weich kneten. Der Sommer ist gekommen. Die Sonne steht noch hoch am Himmel.
    »Ich freue mich auf diesen Sommer«, sagt Marianne, als wolle sie mich ablenken. »Er wird anders als alle andern werden.« Ich küsse sie auf die Wange.
    »Ja«, sage ich. »Zeit der Erwartung.«
    »Zeit des Friedens, der Harmonie und der Versöhnung«, sagt sie.

    Wenn wir von der Haltestelle Nationaltheater nach oben kommen, werden wir uns trennen, wie verabredet. Sie wird hinübergehen ins Blom, wo wir

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