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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Zähne zusammen und kniff die Augen zu.
    Sie schnappte gierig nach Luft.
    »Wir haben über Publicity gesprochen«, brachte sie heraus.
    »Darüber, dass man es unter die Leute bringen muss, wenn man etwas zu verkaufen hat. Wie die Mechanikerkünste dieses Jungen.«
    »Publicity ist genauso ein Treibstoff«, überlegte Jeffers, »wie arabisches Öl.« Er warf ihr einen kurzen Blick zu. Sie wandte sich ab und sah, wie sich vor ihnen die Straße dehnte. Er nahm wieder die Zufahrt zur Interstate.
    »Geht schon wieder«, meinte sie und dachte, es muss.
    Sie schaute Jeffers von der Seite an und sah, dass er sich zu entspannen schien. Er lächelte schwach.
    »Braver Boswell«, lobte er. »Wenn du dich wieder so weit gut fühlst, schreib alles auf. Ist doch aufregend, oder? Vor allem das mit dem Polizisten, nicht? Da schießt das Adrenalin in die Adern.«
    Jeffers summte vor sich hin und gab Vollgas. Wieder erkannte sie die Melodie nicht, doch sie hasste sie.
     
    Unterwegs glitt Douglas Jeffers halbherzig in Tagträumereien hinein. Anne Hampton war neben ihm schweigsam geworden und starrte in einer wünschenswerten Leere aus dem Fenster. Er wollte ihre Phantasie nicht zu früh beflügeln. Sie hatte immer noch Kraftreserven in sich, die er nicht mobilisierendurfte. Es war durchaus typisch, dass sie sich dessen nicht bewusst war. Sie war immer noch in der Lage, den Bann zu durchbrechen und um ihre Freiheit zu kämpfen oder um etwas zu tun, das ihre Reise gefährdete, doch diese Energie würde nach und nach schwinden, das wusste er. Sie war bereits auf die Hälfte gesunken, vielleicht sogar auf ein Viertel. Binnen ein, zwei Tagen, schätzte er, ist sie ganz verflogen, außer einem gefährlichen Rest, vor dem er stets auf der Hut sein musste. Selbst ein gezähmtes, abgerichtetes, eingeschüchtertes Tier wird angesichts drohender Vernichtung irgendwann einmal zurückschlagen. Er beschloss, keine Anzeichen zu übersehen. Dabei war ihm durchaus bewusst, dass sie nicht unbedingt in Erscheinung treten mussten. Für einen Moment fragte er sich, ob sie von der einschlägigen Literatur über Kontrolle und Macht die geringste Ahnung hatte. Bestimmt hatte sie zumindest John Fowles gelesen. Und sie konnte sich vielleicht an Rubaschow und seine Peiniger beim Verhör erinnern. Sollte er ihr etwas über das Stockholm-Syndrom erzählen? Vermutlich ja, zu gegebener Zeit. Wissen, überlegte er, konnte – geschickt und gezielt eingesetzt – die Wahrheit zusätzlich verwirren und verdunkeln. Es würde ihre Hilflosigkeit verstärken, wenn er ihr klarmachte, dass sie psychisch in einem Netz gefangen war, aus dem sie sich nicht aus eigener Kraft befreien konnte. Stürze sie in noch tiefere Verzweiflung. Er blickte zu ihr hinüber und musterte ihr Profil, während sie unverwandt auf den Horizont starrte. Er versuchte, einen Hauch Unabhängigkeit und Entschlossenheit zu riechen. Nein, dachte er, die nicht.
    Die hab ich ihr genommen. Ganz nach Plan.
    Ich kann mit ihr machen, was ich will.
    Beinahe hätte er aufgelacht, doch er unterdrückte den Laut, bevor er ihm über die Lippen kam, so wie ein Schuljunge,dem hinter dem Rücken des Lehrers ein schmutziges Bild zugesteckt wurde.
    Sie ist jetzt wie Ton in meinen Händen. Ich kann daraus formen, was ich will. Wie beiläufig kam ihm die Frage in den Sinn, ob sie wohl wusste, dass sich ihr Leben vollkommen verändert hatte, dass sie nie wieder dieselbe sein würde und niemals wieder anknüpfen konnte an die Zeit, bevor er in ihr Leben getreten war.
    Für keinen von uns beiden gibt es ein Zurück.
    Er dachte an das betroffene Gesicht, das sie gemacht hatte, als sie den Polizisten sah. Das hat sie in Panik versetzt, dachte er. Bis morgen ist sie so am Ende, dass sie mehr Angst vor der Polizei hat als ich. Und ich habe nicht die geringste Angst.
    Innerlich grinste er, auch wenn äußerlich nur ein leichtes Zucken um seine Mundwinkel spielte.
    Sie gehört mir.
    Jedenfalls in vierundzwanzig Stunden.
    Ihm lachte das Herz, wenn er an die Möglichkeiten dachte. Was für Lektionen auf sie warten!
    Auch nicht schlimmer als meine eigenen.
    Plötzlich stand ihm eine Erinnerung plastisch vor Augen, ohne dass er sich dagegen wehren konnte. Er sah sich, wie er als Sechsjähriger vom Drogisten und seiner Frau durch die Nacht geführt wurde. Er erinnerte sich, wie überrascht er beim Anblick des Hauses gewesen war. In seinen Kinderaugen war es riesig und überwältigend. Er hatte Angst gehabt und wusste noch, wie

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