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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Menschen sich so benehmen, wie sie sich benehmen, und vor allem, wieso sie morden.
    Dabei ist kaum etwas so universal verbreitet, dachte er.
    Sind wir nicht alle dazu fähig?
    Jetzt klang er schon wie sein Bruder. Er schüttelte den Kopf und lauschte auf das Quietschen seiner Sohlen auf dem gebohnerten Linoleum. Nun ja, ein paar von uns sind dazu eben fähiger als andere. Ihm geisterten die Gesichter der Lost Boys durch den Kopf.
    Der Besuch der Kripo war an sich nichts Ungewöhnliches. Er erinnerte sich an einige Gelegenheiten in der Vergangenheit, bei denen er von dunkeläugigen, einsilbigen Männern zu sich bestellt wurde, die über das eine oder andere Mitglied seiner Therapiegruppe sich langsam zuspitzende Fragen stellten. Natürlich hatte er aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nur in sehr beschränktem Maße helfen können. An
einen
Ermittlerkonnte er sich besonders gut erinnern. Nach einem frustrierenden Gespräch mit Jeffers hatte der ihn wütend eine ganze Minute lang angestarrt und dann gefragt: »Hat der Mann einen Zimmergenossen?« – »Nein«, hatte Jeffers erwidert. »Ist er mit irgendjemandem besonders viel zusammen?« – »Nun ja«, hatte Jeffers geantwortet, »er hat einen Freund.« – »Gut«, hatte der Polizist gesagt, »dann will ich mit dem Mann reden.«
    Jeffers sah noch vor sich, wie der Detective dem Kumpel des Verdächtigen in einem wiedereröffneten Fall gegenübergesessen hatte. Der Detective war direkt und entschlossen aufgetreten, doch nie aggressiv.
    Jeffers entsann sich, wie er gedacht hatte, er sollte sich von der Gesprächsmethode des Polizisten eine Scheibe abschneiden, da sie sich bei bestimmten Ab läufen in der Therapie als nützlich erweisen könnte. Er war beeindruckt, wie der Beamte binnen einer Stunde sämtliche benötigten Informationen aus dem Mann herausbekommen hatte, der nur allzu bereit war, für die Aussicht auf vorzeitige Entlassung das Leben seines Knastbruders zu verkaufen. Jeffers hatte das nicht empört. So lief es nun mal in der Welt der Lost Boys, wo Lug und Trug die Regel waren.
    Verrat als Lebensphilosophie, etwas ganz und gar Alltägliches. Ihm kam plötzlich der Gedanke, dass das Leben eine einzige Abfolge von Verrat, von banalen Lügen, faulen Kompromissen und fadenscheinigen Entschuldigungen war.
    Er war gespannt auf die Frau von der Kripo. Sie komplizierte die Situation. Seine Arbeit mit den Lost Boys drehte sich zu einem guten Teil darum, ihnen klarzumachen, dass Frauen Individuen sind und keine kollektive Zielscheibe für ihren Hass. Die Vorstellung, dass eine von ihnen kam, um einen von ihnen zu jagen, hatte etwas Beängstigendes, so als sei eine ihrertiefsten Ängste aus einem ihrer Alpträume entsprungen und klopfte an die Tür zum Aufenthaltsraum.
    Zumindest bietet es uns eine Menge Gesprächsstoff, dachte er. Das gehörte zu den Herausforderungen, die der Beruf mit sich brachte: aus der Verknüpfung von Erinnerungen und Alltagsgegenwart therapeutischen Nutzen zu ziehen.
    Vielleicht lade ich sie ein, mit in eine Sitzung zu kommen, überlegte er. Das würde ihr Angst machen. Danach hätte sie vermutlich nicht übel Lust, sie alle zu verhaften.
    Und es würde die Lost Boys zu Tode erschrecken. In letzter Zeit sind sie sowieso viel zu selbstgefällig, überlegte er. Sie könnte die Jungs wieder auf den Teppich der Tatsachen zurückholen, sie ein bisschen aufmischen und die Sitzungen in die richtigen Bahnen lenken.
    Bei dem Gedanken musste er unwillkürlich grinsen, während er an die Tür der Geschlossenen klopfte, damit der Pfleger ihn herausließ. Die Tür ging knarrend auf, und Jeffers dachte einen Moment, dass sich in der altersschwachen Anstalt alles mit Ächzen und Quietschen dagegen verwahrte, in Gebrauch genommen zu werden. Er dankte dem Mann, der mürrisch beiseite trat, während er vorbeirauschte. Jeffers eilte durch den Flur und war im nächsten Moment im Verwaltungstrakt. Die Büros waren hier eine Klasse besser ausgestattet, die Farbe frischer, die Sonne nicht von der Kreuzschraffur der schmutzigen Gitterstäbe verunstaltet.
    Er öffnete die Tür zum Büro des Verwaltungsdirektors. Dr. Harrisons Sekretärin sah auf und deutete wie ein Anhalter mit dem Daumen auf das eigentliche Büro, zu dem ihr Vorzimmer führte. »Sie warten da drinnen auf Sie«, erklärte sie. »Was meinen Sie, hinter wem sie her ist?«
    »Irgendwie vermutlich hinter allen«, erwiderte Jeffers. Es war ein kleiner Scherz, und die Sekretärin lachte.
    Jeffers

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