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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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nieder. Martin Jeffers setzte alles daran, sich den Anschein interessierter Nonchalance zu geben, so wie er es immer tat, wenn ihm ein Patient ein grausiges Verbrechen gestand. Innerlich aber schnürte es ihm die Kehle zu, und die Härchen auf seinen Unterarmen stellten sich auf. Er merkte, wie ihm der Schweiß unter die Achseln trat, wagte jedoch nicht einmal, sich die feuchten Hände an der Hose abzuwischen.
    Der Alptraum schlug wie eine Woge über ihm zusammen.
    Er wehrte die Bilder ab, die ihn bestürmten, und konzentrierte sich ganz auf ihre Frage, ohne über die gefährlichen Implikationen nachzudenken. Sie ist hinter Doug her!, dachte er. Und dann: Ich hab’s gewusst! Und dann: Aber woherdenn? Er kämpfte gegen die Bilder an, die sich ungebeten in sein Bewusstsein schlichen, von Kindheitsängsten bis zu Befürchtungen als Erwachsener.
    Er suchte verzweifelt nach einem Strohhalm, als könnte irgendein noch so dürftiger Halt das Gefühl besiegen, dass der Boden unter ihm schwankte. Doch er wusste ebenso gut, dass die Kripobeamtin das merken würde; also wischte er alles, von seinen Ängsten bis zu seiner Neugier, beiseite und ließ nur einen Gedanken zu: Finde es heraus. Gib nichts preis, aber finde es heraus.
    Er holte tief Luft. Es half.
    Er schlug die Beine übereinander und nahm eine entspannte, bequeme Haltung ein.
    Er beugte sich vor und zog sich eine Socke hoch.
    Er steckte die Hand in die Brusttasche und zog einen kleinen Block sowie einen Stift heraus. Er tippte ein paarmal langsam mit dem Kugelschreiber auf das Papier. Dann sah er auf, kratzte alles zusammen, was er an Heuchelei und Täuschungskraft zu bieten hatte, und lächelte die Polizistin an. »Tut mir leid, Detective, ich habe Ihren Namen nicht ganz …«
    »Mercedes Barren.«
    Er schrieb ihn sich auf. Es gab ihm Halt, etwas zu Papier zu bringen.
    »Und zu welcher Dienststelle …«
    »Kripo Miami.«
    »Ach ja, richtig«, sagte er, während er weiterschrieb. »Ich war noch nie in Miami. Wollte eigentlich schon immer mal hin. Die Palmen, die Sonne, die Strände. Die ganze Zeit schön warm. Klingt nett. Aber ich hab’s nie bis dahin geschafft.«
    »Ihr Bruder schon.«
    »Tatsächlich? Ich weiß davon nichts, aber es ist schwer, bei ihm auf dem Laufenden zu bleiben. Und natürlich gibt’s imschönen Miami jede Menge Nachrichten. Unruhen, Schleuserboote, Flüchtlinge, alles Mögliche. Also, ja, schon denkbar. Und er war praktisch schon überall, also manchmal frage ich mich, wo er noch nicht gewesen ist. Ein echter Globetrotter.«
    »Er war letztes Jahr dort. Im September, zu einem Footballspiel.«
    »Zu einem Footballspiel? Wissen Sie, ich glaube, er macht sich nicht allzu viel aus Sport …«
    »Er hatte den Auftrag, den Quarterback zu fotografieren.«
    »Ach so, Sie meinen, beruflich. Das kann schon sein …«
    Jeffers schwieg. Er ließ den Blick durchs Zimmer schweifen, um sich zu sammeln. Ihm wurde bewusst, dass er mit seiner Vorstellung bei der Kripofrau vermutlich keinen Eindruck machte. Er blickte kurz zu ihr hinüber und stellte fest, dass sie sich nicht gerührt hatte, nicht mit einem einzigen Muskel. Ganz schön zugeknöpft, dachte er. Bis auf die Knochen. Augenblicklich fragte er sich, wieso. Die meisten Ermittler versuchen, sich einzuschmeicheln, egal, wie stark die Spannung ist. Konzentrier dich auf die Frage, dachte er. Er fühlte sich besser; immer noch auf der Hut, immer noch in einer unbekannten, nebulösen Gefahr, aber dennoch besser.
    »Aber was hat ein Footballspiel mit …«
    »Es geht um den Mord an einer jungen Frau. Susan Lewis.«
    »Aha, verstehe«, meinte Martin Jeffers, auch wenn er natürlich wusste, dass er rein gar nichts verstand. Er schrieb den Namen und den Monat auf seinen Block, bevor er fragte: »Wissen Sie, Detective, ich komme nicht ganz mit. Was in aller Welt könnten Sie von meinem Bruder wollen?«
     
    Rache!, schrie es in Mercedes Barrens Kopf, doch sie schluckte das Wort hinunter. Sie atmete ihrerseits einmal tief durch, lehnte sich auf dem Stuhl zurück und zog, bevor sie antwortete,ihren eigenen Block und Stift heraus. Ich spiele auch nicht schlecht, dachte sie. Und ich werde gewinnen.
    »Sie haben völlig recht, Doktor. Ich eile den Dingen weit voraus.«
    Sie sprach so, dass es betont gelangweilt klang, und zähmte ihre Emotionen. Sie brachte sogar ein zartes Lächeln zustande, dazu ein gleichgültiges Nicken. »Ich ermittle in einer Straftat, die im letzten Herbst passiert ist. Am achten September,

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