Der Fotograf
schweigend, an.
Detective Barren hätte plötzlich schreien mögen. Ihr tat innerlichalles weh. Ich hab’s vermasselt, dachte sie. Ich bin nah dran, aber ich hab Scheiße gebaut. Jeffers hat einen Pass und Geld und einen Bruder, der sich vor ihn stellt, ohne zu wissen, was er getan hat, und der ihm stecken wird, dass jemand hinter ihm her ist, und Douglas Jeffers macht sich aus dem Staub, einfach so.
Martin Jeffers hatte nur noch das Bedürfnis, so schnell wie möglich dieses Zimmer zu verlassen. Hier stimmt etwas nicht, dachte er. Er musste in Erfahrung bringen, was, erkannte aber zugleich, dass er nicht einmal ansatzweise genug wusste, um zu sehen, in welcher Richtung er suchen sollte. An diesem Punkt erkannte er, dass er mit der Polizistin reden musste, und er fragte sich, wie er das Gespräch so lenken konnte, dass er Informationen bekam, ohne seinerseits welche preiszugeben. Er dachte an seine Psychoanalytiker-Freunde. Die wüssten, wie. Lass sie sich auf die Couch legen und nimm hinter ihrem Kopf Platz. Er schmunzelte.
»Was ist so komisch?«, fragte Detective Barren.
»Nein, nichts, mir kam nur ein seltsamer Gedanke«, erwiderte Jeffers.
»Ich könnte einen guten Witz vertragen«, sagte sie bitter.
»Wollen Sie ihn mir nicht verraten?«
»Tut mir leid«, entschuldigte sich Jeffers. »Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, die Sache auf die leichte Schulter zu nehmen …«
Sie unterbrach ihn. »Natürlich nicht.«
Er sah, dass sie ihm nicht glaubte. In dem Moment blickte Jeffers ihr direkt in die Augen und erkannte, dass hier mehr auf dem Spiel zu stehen schien. Er konnte nicht sagen, woraus er das schloss. Vielleicht war es ihre Körperhaltung, die Neigung ihres Kopfes, ihr glühender Blick. Die Intensität, die sie ausstrahlte, hatte etwas Erschreckendes.
Die Frau ist gefährlich, dachte er.
Sie verabscheute den Mann in diesem Moment. Er weiß etwas, dachte sie, etwas, das über den bloßen Aufenthaltsort seines Bruders hinausgeht. Er weiß etwas über seinen Bruder, das er nicht in Worte fassen will. Also versteckt er sich hinter seiner Cleverness und seinen Psychiatertricks.
Wird ihm nichts nützen, dachte sie. Kein bisschen.
Sie sah, wie Jeffers abwechselnd auf seine Armbanduhr und Dr. Harrison schaute. Sie wusste sofort, was jetzt kam.
»Jim, ich hab den ganzen Nachmittag Patiententermine …«
Sie kam dem Verwaltungsdirektor zuvor.
»Wann sind Sie fertig?«
»Um fünf«, antwortete er.
»Soll ich in Ihr Büro kommen oder wollen wir uns lieber bei Ihnen zu Hause treffen? Oder irgendwo in einem Restaurant?«
Andere Optionen ließ sie ihm nicht.
»Meinen Sie, es dauert lange?«, fragte er.
Sie lächelte, ohne dass sie etwas komisch fand. Er ist verdammt clever, dachte sie.
»Nun ja, das hängt gewissermaßen von Ihnen ab.«
Er lächelte. Gut pariert, musste er ihr zugestehen. Stoß und Parade.
»Ich sehe zwar immer noch nicht, wie ich Ihnen helfen kann, aber wie wär’s, wenn Sie kurz nach fünf in mein Büro kommen würden und wir versuchen, die Angelegenheit zügig aus der Welt zu schaffen?«
»Ich werde da sein.«
Sie standen beide auf und schüttelten einander die Hand.
»Seien Sie bitte pünktlich«, bat er.
»Bin ich immer«, erwiderte sie.
Martin Jeffers zog die Tür hinter sich zu und sah sich in seinem Büro um, als erhoffte er sich davon Aufschluss über den Wirrwarr an Gefühlen. Er fühlte sich am Rande der Panik und kurz davor, etwas Irrationales zu tun, während ihn alle möglichen Vorstellungen über seinen Bruder bestürmten. Er hat einen gemeinen Zug, dachte er, so viel weiß ich. Er erinnerte sich an einen Nachbarsjungen, der sie unentwegt verspottete und hänselte, was Doug irgendwie unter die Haut zu gehen schien. Es würde ein fairer Kampf werden – sie waren etwa gleich groß –, darüber waren sich sämtliche Jungs im Häuserblock einig. Doch es kam anders. Doug hatte dem anderen blitzschnell ein Bein gestellt und seinen Gegenspieler auf den Rücken gelegt, der wehrlos wie eine umgedrehte Schildkröte dalag und unter Dougs dreschenden Fäusten schrie. Noch nie hatte Martin eine solch ungezügelte, übermächtige Wut gesehen. Eine Mordswut, dachte er. Dann runzelte er die Stirn: Mach dich nicht lächerlich. Danach war er nur noch selten Zeuge geworden, wie Doug die Kontrolle verlor. Natürlich hatte der Drogistenvater Doug dafür eine schallende Ohrfeige verpasst, doch das war zu erwarten. Wer Prügel austeilt, steckt auch welche ein.
Er sah sich um
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