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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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in eine dunkle Nebenstraße ein und fuhr am Ende des Blocks rechts heran. Offenbar handelte es sich um eine Wohngegend – größere, in Wohnungen aufgeteilte Häuser, Bäume, für die im Bürgersteig ein Stück Erde ausgespart war. An den hellen Lichtern konnte sie jedoch erkennen, dass sie nicht weit von der Hauptdurchgangsstraße entfernt waren. Jeffers ging vorne um den Wagen herum und öffnete ihr die Tür. Sie fand seine Bewegungen spinnen- oder raubtierartig. Von einem Moment zum anderen sah sie sich buchstäblich aus dem Wagen gehoben, um Arm in Arm mit ihm den Bürgersteig entlangzugehen. Wie immerzuckte sie unter der angespannten Stärke seiner Hände und Arme zusammen. Sie spürte, wie sich vor Erregung seine Muskeln verhärteten.
    »Sag nichts«, schärfte ihr Jeffers in leisem, schrecklichem Ton ein. »Meide Augenkontakt, bis ich meine Wahl getroffen habe. Aber lächle und mach ein glückliches Gesicht.«
    Sie gab sich Mühe, auch wenn sie wusste, dass sie allenfalls erbärmlich wirken musste. Stattdessen konzentrierte sie sich darauf, gleichmäßig zu laufen.
    Sie wusste, was passieren würde, oder zumindest, dass ein weiterer Alptraum wie der mit dem Obdachlosen bevorstand und sie nichts dagegen machen konnte. Ihr wäre auch nichts eingefallen, außer zu tun, was er sagte.
    Sieh in den Himmel, sagte sie sich. Starre zu den wenigen Lichtern hoch. Sie sah den Mond, der in den Zweigen eines Baums zu hängen schien, und musste plötzlich an eine Melodie aus ihrer Kindheit denken: »Der Fuchs ging hinaus in die kalte Nacht … da hat er den Mond gefragt … ob er ihm leuchten wollte … wenn er sich über die Felder trollte bis zur weiten Stadt, Stadt, Stadt.« Die Musik strömte ihr wie eine beruhigende Woge durch den Kopf.
    Dreimal liefen sie um den Block, und jedes Mal kamen sie an einem Paar oder auch einem Dreiergespann von Männern vorbei, das durch das Dunkel der Gasse eilte. Als sie sich auf ihrer vierten Runde ihrem Wagen näherten, merkte sie, wie sich Jeffers neben ihr anspannte, und sie beobachtete, wie er die Hand in seine Kameratasche steckte.
    »Das könnte er sein«, meinte er.
    Sie liefen weiter auf den einsamen Mann zu, der ihnen entgegenkam.
    »Etwas langsamer«, sagte Jeffers. »Ich will im Schatten des Baumes an dem Kerl vorbei.«
    Sie sah, dass sie genauso weit von dem Baum entfernt waren wie der Mann, der mit seiner schieren Körpergröße einen Schatten warf.
    »Lächeln«, befahl Jeffers.
    Sie fühlte sich plötzlich von einer heftigen Unterströmung in die See hinausgezogen. Sie klammerte sich an seinen Arm, weil sie fürchtete, plötzlich zu stolpern oder in Ohnmacht zu fallen.
    Jeffers schärfte all seine Sinne. Er spähte blitzschnell in alle Richtungen und registrierte die Leere. Sein Gehör war auf jedes noch so leise außergewöhnliche Geräusch eingestimmt. Er hob sogar die Nase witternd in die Luft. Er glaubte, in Flammen zu stehen oder verliebt zu sein. Sämtliche Nervenenden in seinem Körper waren aufs höchste gespannt und pochten. In seiner Hand schien das Metall der Pistole heiß zu glühen. Er zwang sich, seine Schritte genau zu bemessen und langsam zu gehen, damit er den Mann genau im richtigen Moment erreichte, dem dunkelsten Moment.
    Ein Todesmarsch, musste er auf einmal denken.
    Jeffers bemaß die Distanz: Knapp zwanzig Meter. Dann plötzlich nur noch sechs. Dann drei, und er nickte dem Mann mit einem Lächeln zu.
    Der Mann war jung, wahrscheinlich nicht älter als fünfundzwanzig.
    Wer bist du?, fragte sich Jeffers für einen Augenblick. Hast du dein Leben geliebt? Der Mann trug das blonde Haar an den Schläfen und im Nacken kurz. Jeffers sah einen kleinen Goldstecker in einem Ohr. Er war mit einem schlichten, offenen Sporthemd und einer Hose bekleidet, dazu hatte er betont leger einen Pullover um die Schultern geschlungen.
    Jeffers nickte dem Mann noch einmal zu und bekam ein etwas nervöses, schwaches Lächeln zurück. Jeffers drückte AnneHampton fest in den Arm und registrierte das gewünschte Lächeln in ihrem Gesicht.
    Der Mann war gleichauf, dann vorbei.
    Als er gerade aus seinem Blickfeld verschwand, zog Jeffers die Waffe aus der Tasche und legte den Finger an den Abzug.
    Ihm blieb gerade genug Zeit, sich zur Ruhe zu mahnen.
    Dann wirbelte er herum, sprang direkt hinter den Mann, ließ Anne Hamptons Arm los und legte beide Hände um den Pistolenkolben. Als der Lauf exakt auf den Kopf des Mannes gerichtet war, feuerte Jeffers zweimal.
    Das Krachen hallte

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