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Der Fotograf

Der Fotograf

Titel: Der Fotograf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Katzenbach
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Louis all diese Homos umgebracht hat – ich glaube, bis heute Nacht waren es sieben –, der schreibt immer in Reimen. Jedenfalls stand das im
Post-Dispatch

    Jeffers schüttelte den Kopf.
    »Die Zeitungen haben ihm keinen Spitznamen gegeben, was irgendwie seltsam ist. Ich meine, bei solchen Serienmorden, da finden sie normalerweise ein Etikett für den armen Kerl. Zum Beispiel der Schwulenkiller oder Schwuchtelschreck oder was ähnlich albern Obszönes.«
    Er schaute sie an und sah die Müdigkeit in ihren Augen.
    »Verstehst du eigentlich, was da eben passiert ist?«, fragte er.
    »Ja«, antwortete sie dumpf.
    Er beugte sich zu ihr hinüber und ohrfeigte sie, aber nicht heftig, da sie aller Wahrscheinlichkeit nach ziemlich fertig war.
    Das Klatschen auf ihrer Wange schreckte Anne Hampton aus ihrer Lethargie auf, die sie seit den Schüssen auf der Straße übermannt hatte.
    »Begreifst du, was wirklich passiert ist?«, wiederholte er seine Frage.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Wir haben gerade eine ziemlich gute Kopie einer Verbrechensserie hingelegt, die diese schöne Stadt im Lauf der letzten achtzehn oder zwanzig Monate beschäftigt hat. Die Polizei nennt so etwas einen Trittbrettfahrermord. Weißt du, die enthalten der Presse immer das eine oder andere Detail vor, damit sie erkennen können, wer es tatsächlich gewesen ist. Trittbrettfahrer sind für die Cops schrecklich frustrierend. Man muss das verstehen: Während sie sich sämtliche Beine ausreißen, um den Irren zu finden, pfuscht ihnen ein anderer Spinner ins Handwerk. Es kostet sie Zeit, ich meine, richtigviele Dienststunden, Ordnung in das Ganze zu bringen. Bis das Sonderkommando, das auf den Killer angesetzt ist, rausbekommt, was passiert ist, sind wir längst verschwunden. Keine Beweise. Keine heiße Spur …«
    Sie sah, dass er lächelte – ein Grinsekatzen-Grinsen.
    »Aber glaub ja nicht, das Ganze sei völlig ohne Risiko. Jemand könnte uns aus einer der Wohnungen heraus beobachtet haben. Vielleicht hab ich etwas fallengelassen, oder du, ohne dass wir es gemerkt haben. Etwas, das einem mürrischen, hartnäckigen Kripobeamten einen ersten Hinweis liefert. Weißt du, darin liegt ja gerade der Reiz. Das Warten darauf, dass es an der Tür klopft.«
    Er trommelte mit den Fingern auf dem Lenkrad, und das Geräusch erschreckte sie.
    »Siehst du, das hab ich bei meinen ausführlichen Studien begriffen. Gewöhnlich findet die Polizei die Mörder, weil Täter und Opfer in irgendeiner Beziehung stehen, die dem Mord vorausgeht. Sie müssen nur noch herausfinden, welche Beziehung zu dem Verbrechen geführt hat. So läuft das in der überwältigenden Mehrzahl der Fälle. Dann sind da noch die Serienmörder, deren Verbrechen einem deutlichen Muster folgen. Natürlich sind die ziemlich schwer zu lösen, weil die Killer mobil sind. Überschreiten die Fälle den Zuständigkeitsbereich einer Dienststelle, verwirren sie die Bürokratie. Aber ich habe großen Respekt vor der Polizei. Die haben schon mehr von diesen Fällen gelöst, als man meinen sollte. Oft genug, weil der arme Irre etwas anderes vermasselt und sich die Cops dann wie Haie auf ihn stürzen. Die Intuition eines Polizisten sollte man nie unterschätzen, sage ich immer. Aber trotzdem sind natürlich willkürliche Morde, die kein Muster erkennen lassen, die schwierigsten Fälle für sie. Eine Zeitlang hab ich überlegt, ob ich mich darauf spezia lisierensollte. Einfach in irgendeine Stadt fahren, mir wahllos ein armes Schwein herauspicken und wegblasen. Aber dann wurde mir klar, dass das in sich auch wieder ein Muster abgeben würde, und irgendwann würde das irgendeinem Cop wie Schuppen von den Augen fallen. Das ist die Theorie von den Millionen Affen an Millionen Schreibmaschinen. Irgendwann wird einer von ihnen Shakespeares gesammelte Werke tippen. Was blieb mir also übrig?«
    Anne Hampton ging nicht wirklich davon aus, dass er eine Antwort von ihr erwartete.
    »Ich musste dieses Willkürprinzip mit einem Muster verbinden. Ich hab mir den Kopf zermartert. Ich hab gerechnet. Ich hab geschätzt. Und weißt du, was am Ende dabei rauskam?«
    Wieder blieb sie stumm.
    Seine Stimme hypnotisierte sie.
    »Ein Plan von großer Einfachheit und damit von großer Schönheit.«
    Er lächelte.
    »Ich ahme andere nach. Ich lerne nie aus. Ich bringe alles über einen Autobahn-Killer, einen Campus-Killer oder einen Green-Mountain-Killer in Erfahrung. Die Presse ist mit diesen Titulierungen nur allzu gern behilflich.

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